Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
eigene Hauptstadt zu schützen. Nein. Kein Aufsehen, Fitz. Niemand darf Verdacht schöpfen.«
»Ich soll mich nur umschauen und umhören …«
Veritas zuckte die breiten Schultern, wobei er jedoch wie ein Mann wirkte, der sich bemüht, eine Last gleichmäßiger zu verteilen. »Mach dem Treiben ein Ende, wo sich die Gelegenheit ergibt.« Er flüsterte nur noch und schaute dabei ins Feuer. »Auch das mit allergrößter Vorsicht.«
Ich nickte behutsam. Nicht zum ersten Mal erhielt ich einen solchen Auftrag. Entfremdete zu töten belastet mich nicht so sehr wie der Mord an einem wirklichen Menschen. Manchmal redete ich mir ein, ich hätte einer ruhelosen Seele geholfen, Frieden zu finden und dem Leid einer Familie ein Ende gemacht. Chade hatte mich davor gewarnt, der Versuchung zu erliegen, mir selbst etwas vorzumachen. Ich war kein Engel der Gnade, sondern ein Auftragsmörder, der seinem König diente. Oder dem Kronprinzen. Es war meine Pflicht, dabei zu helfen, den Thron zu sichern. Meine Pflicht. Trotzdem kostete es mich Überwindung, die nächsten Sätze auszusprechen.
»Mein Prinz, auf dem Weg zur Burg bin ich unserer Kronprinzessin Kettricken begegnet. Sie unternahm einen Ausritt mit Prinz Edel.«
»Sie geben ein schönes Paar ab, findest du nicht? Und sitzt sie gut zu Pferde?« Veritas konnte eine leichte Bitterkeit in seiner Stimme nicht verhehlen.
»Ja. Doch immer noch in der Art der Bergbewohner.«
»Sie kam zu mir und sagte, sie wollte besser mit unseren großen Tieflandpferden umgehen lernen. Ich redete ihr auch noch zu. Wie konnte ich ahnen, dass sie sich Edel als Reitlehrer nehmen würde.« Veritas beugte sich tiefer über die Karte, als suchte er nach einem ganz bestimmten, unbestimmbaren Punkt.
»Vielleicht hatte sie gehofft, Ihr würdet sie unterrichten.« Ohne nachzudenken sprach ich zu dem Mann, nicht dem Prinzen.
»Vielleicht.« Plötzlich stieß er einen tiefen Seufzer aus. »Ich weiß, dass sie es gehofft hat. Kettricken ist manchmal einsam. Nein, sie ist allzuoft einsam.« Er schüttelte den Kopf. »Man hätte sie mit einem Jüngeren vermählen sollen, einem Mann, der die Zukunft noch vor sich und Zeit für sie hat. Oder eben mit einem König, dessen Reich nicht von Krieg und Verderben bedroht ist. Ich werde ihr nicht gerecht, Fitz, ich weiß es. Aber sie ist so - jung. Und wenn das keine Rolle spielen sollte, so ist sie doch unerbittlich patriotisch. Sie brennt darauf, sich für die Sechs Provinzen zu opfern. Immer muss ich sie zurückhalten und sie davor bewahren, was sie für die Sechs Provinzen als notwendig erachtet. Sie ist so rastlos. Ich finde bei ihr keinen Frieden, Fitz. Einmal will sie herumtoben wie ein Kind, ein andermal fragt sie mich nach den Einzelheiten irgendeiner momentanen Krise aus, die ich gerade für ein paar Augenblicke zu vergessen suche.«
Ich musste an Chivalrics unbeirrbare Werbung um die kapriziöse Philia denken und glaubte, seine Beweggründe wenigstens teilweise zu verstehen. Eine Frau, die für ihn eine Zuflucht war. Wen nun hätte Veritas sich ausgesucht, hätte er die Möglichkeit gehabt, selbst zu wählen? Vermutlich eine ältere, weit ausgeglicherne und innerlich gefestigte Frau.
»Ich werde so müde«, sagte er leise. Er füllte seinen Becher und ging damit zum Kamin. »Weißt du, was ich mir wünschte?«
Es war keine wirkliche Frage, und ich schwieg.
»Ich wünschte, dein Vater wäre am Leben und Thronfolger. Und ich seine rechte Hand, wie früher. Er würde mir sagen, was ich tun sollte, und ich würde es tun. Ich wäre zufrieden, trotz der zahlreichen Pflichten, denn ich hätte Vertrauen zu ihm. Weißt du, wie leicht es ist, Fitz, einem Mann zu folgen, an den man glaubt?«
Endlich blickte er auf und sah mich an.
»Mein Prinz«, antwortete ich ruhig, »ich glaube, ich weiß es.«
»Ah.« Weiter sagte er nichts, doch unsere Blicke trafen sich, und es bedurfte nicht der Wärme der Gabe, da mit ich die Dankbarkeit fühlte, die von ihm zu mir hinüberströmte. Er straffte sich und kehrte zu seinem Kartentisch zurück. Mein Kronprinz stand wieder vor mir. Mit einem kurzen Wink war ich entlassen und ging. Während ich die Treppe zu meinem Zimmer hinaufstieg, fragte ich mich zum ersten Mal in meinem Leben, ob ich nicht froh sein sollte, als Bastard geboren zu sein.
KAPITEL 7
BEGEGNUNGEN
V on jeher war es Brauch und wurde erwartet, dass bei einer Hochzeit im Königshaus der Prinzgemahl oder die junge Königin mit einem großen Gefolge Einzug hielt.
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