Fix und forty: Roman (German Edition)
wortreiches Plädoyer gegen das Osterspiel ihrer Kirche halten, in dem sie Jesus auf seinem störrischen Esel über die Bühne führen muss. Oder sie könnte uns beichten, dass sie sich seit ihrem dreiundzwanzigsten Lebensjahr die Haare färbt. Oder uns die Höhen und Tiefen ihres jüngsten Gewichtsverlusts von siebzig Pfund anvertrauen. Diese entspannte Kameraderie haftete ihr schon vor zwanzig Jahren an, als mein Bruder sie zum ersten Mal zum Abendessen mitbrachte. Damals hatte Staci uns irgendwann zwischen dem Pluma Moos und den Pereschki eröffnet, dass sie unter einem schmerzhaften Ausschlag litt und ob meine Mutter freundlicherweise einen Blick darauf werfen könnte. Meine Mutter hatte nichts dagegen und trat sofort mit ihrer zukünftigen Schwiegertochter auf den Flur, um sich ihre Schamgegend anzusehen.
»Staci«, sagte ich jetzt und erwiderte ihre Umarmung, »Du siehst super aus!«
»Kann ich dich fragen, wie du das mit dem Brot machst?«, fragte Staci, als würden wir eine Unterhaltung fortsetzen, die wir eben erst unterbrochen hatten. In Wirklichkeit hatten wir uns seit fünf Jahren nicht gesehen. »Allein in den letzten zwei Wochen habe ich nämlich wieder drei Kilo zugenommen. Brot ist mein Untergang.«
Als ich sie das letzte Mal gesehen hatte, hatten wir alle zusammen Begriffe-Raten gespielt, und ich musste Staci dazu bringen, Dracula zu erraten. Mit der geflüsterten Nachdrücklichkeit eines Spielshowmoderators gab ich ihr einen – wie ich fand – vernünftigen Hinweis: »Bram Stokers …«
»Schlanke Küche!«, rief sie.
Sofort schoss mir eine knackige Schlagzeile durch den Kopf: VAMPIR ZÄHLT KALORIEN! Wirklich, Bram Stokers Schlanke Küche wäre eine brillante Marketingidee. Neue Geschmackssensation von Bram Stoker! Reines Protein, null Fett! Vielleicht könnten wir das Angebot um einen kalorienarmen Mumien-Wrap erweitern.
Staci fuhr fort: »Und Kartoffeln. Kartoffeln gehen einfach gar nicht. Die landen direkt hier.« Sie klopfte sich bedeutungsvoll auf den Popo. »Wie machst du das? Kochst du selbst, jetzt, wo Nick dich verlassen hat? Ist es schwer, nur für eine Person zu kochen? Oder isst du über der Spüle direkt aus der Dose?«
Um Deenas phantasievolle Dekoration zu würdigen, waren wir alle im Esszimmer zusammengekommen, wo keine Oberfläche der julzeitlichen Festlichkeit entkommen war. Ein Kranz aus riesigen glänzenden Glaskugeln und eine Menge kleinerer frei rollender Kugeln, die Deena locker zwischen Tellern und Kelchen verstreut hatte, zierten die Festtafel. Sie hatte sogar einen kleinen silbernen Ball am Hals jedes Weinglases befestigt – nicht dass wir Wein tranken. Mennoniten neigen zu militanter Abstinenz. An hohen Feiertagen gab es jede Menge perlende Apfelsaftschorle.
»Wein?«, fragte Staci und griff hinter sich aufs Sideboard. Gott segne sie, in sanfter Auflehnung gegen die mennonitischen Bräuche hatte sie eine Flasche mitgebracht. Leider war es ein süßer Rosé, eiskalt serviert, wie Bier. Na gut. Ich nickte und hielt ihr meinen Kelch hin, während sie freimütig erklärte: »Ich finde nichts dabei, ab und zu ein Glas Wein zu trinken, solange man es nicht übertreibt. ›Berauscht euch nicht mit Wein‹«, zitierte sie aus der Bibel und sah meinen Vater herausfordernd an. Doch dessen Ausdruck am Kopf des Tisches blieb unverändert. Er wirkte wie ein friedlicher Buddha. »Wenn Christus Wein getrunken hat, dann kann es nicht verkehrt sein, sich selbst ein Gläschen zu gönnen!«, setzte sie aufsässig nach.
»Ganz genau«, sagte ich.
»Ein Hoch«, sagte mein Bruder Aaron, »auf die Familienfeste!«
Meine Geschwister und ich hoben unseren Rosé; meine Eltern stießen mit Apfelsaftschorle an.
»Denn«, fuhr Staci unbeeindruckt fort, »wirklich weise bist du erst, wenn du Nicht-Christen zeigen kannst, dass du Verantwortungsgefühl hast. Nicht-Christen beeindruckt es viel mehr, uns verantwortungsvoll trinken zu sehen, als uns planlos gegen Alkohol wettern zu hören. Ich finde nichts dabei, ein Sechserpack Heineken im Kühlschrank zu haben. Manchmal kommt Caleb nach einem langen Arbeitstag nach Hause und trinkt zwei Bier.« Trotzig blickte sie in die Runde.
Caleb rechtfertigte sich. »Es hilft mir runterzukommen.«
»Warum auch nicht?«, fragte Staci energisch. »Ich meine, warum nicht ? Tut doch keinem weh. Es ist ja nicht so, als würdest du betrunken Auto fahren!«
Leider hatte mein Vater immer noch keine Lust, sich provozieren zu lassen. Er hatte Lust, seine
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