Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
FKK im Streichelzoo - Roman

FKK im Streichelzoo - Roman

Titel: FKK im Streichelzoo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bjoern Berenz
Vom Netzwerk:
beschäftigt, in den matten Spiegel zu schauen und eine widerspenstige Locke zu bändigen.
    Über uns höre ich das Stahlseil, an dem die Fahrzeugkabine hängt, knarzen und quietschen. Gesund klingt das nicht. Sicherheitshalber umklammere ich die horizontal an der Wand verlaufende Festhaltestange ein wenig stärker und mustere die rote Zahl, die ihren Countdown träge abwärts zählt. Zumindest so lange, bis es einen starken Ruck gibt und sie aufgeregt zwischen der Sechs und der Sieben hin und her springt. Ohne Vorwarnung macht es einen dumpfen Rumms, gefolgt von einem metallischen Kreischen und dem Absacken der Kabine.
    Parallel dazu stürzen meine Eingeweide ins Bodenlose.
    Ein markerschütternder Schrei durchschneidet die abgestanden schmeckende Luft des Aufzugs. Im Spiegel sehe ich, dass Melanies Mund geschlossen ist, sie mich aber verschreckt ansieht. Also gut, dann wird es wohl mein Schrei gewesen sein. Die Erkenntnis sorgt dafür, dass sich meine Poren öffnen und spontan literweise Schweiß absondern.
    »Schreckhaft?«, fragt mich Melanie mit sehr ruhiger Stimme. Eine große Portion Skepsis liegt in ihrem Blick. Ihre zurechtgelegten Augenbrauen schieben sich zusammen und treffen sich beinahe in der Mitte.
    Ich antworte mit einem weiteren schrillen Quieken und blicke gehetzt durch den viel zu engen und stickigen Raum. Haben sich da nicht gerade irgendwelche Stücke der Verkleidung gelöst?
    Die Spiegelwand?
    Schrauben?
    Tragende Elemente?
    Plötzlich fange ich an zu hecheln. Ich habe das Gefühl, dass mir jemand ein dickes Seil um den Hals gelegt hat und mir nun die Luft abschnürt. Ich kann nicht aufhören, die einengenden Wände anzustarren. Es ist, als würden sie sich unaufhaltsam auf mich zubewegen.
    »So wie es aussieht, stecken wir fest.« Melanie lächelt mir aufmunternd zu.
    »Stecken wir fest …«, höre ich das Echo ihrer total entspannt klingenden Stimme in meinem Gehörgang.
    Ich stehe wie schockgefrostet da und halte mich panisch ander Stange fest. Mein Spiegelbild zeigt mir, dass sämtliche Farbe aus meinem Gesicht gewichen ist. Aber das ist das kleinste Problem. Denn wenn das bindfadendünne Seil reißt, an dem die tonnenschwere Aufzugkabine hängt, und wir in die Tiefe stürzen, wird es genug Rot geben, das von meiner bleichen Gesichtsfarbe ablenken wird. Darüber muss ich mir also keine Gedanken machen. Ich lache hysterisch auf, weil mir einfällt, dass ich mir um überhaupt nichts mehr Gedanken machen muss, wenn wir abstürzen.
    Ein saurer Panikkloß klettert meine Speiseröhre hinauf. Ich schlucke ihn wieder hinunter und zwinge mich zum Weiteratmen. Ruhig, Quentin, das ist nicht das Ende. Noch nicht.
    »Was machen wir denn jetzt?«, dringt die Stimme von dem Redaktionsschäfchen von ganz weit her zu mir durch.
    Ich versuche es noch einmal mit dem E und beginne, hysterisch auf dem Knopf herumzudrücken. Doch nichts passiert, und die rote Anzeige kann sich noch immer nicht für ein Stockwerk entscheiden. Also drücke ich das E etwas fester durch.
    Wieder passiert nichts.
    Ich versuche es mit der Eins.
    Nichts.
    Dann mit der Zwei.
    Nichts.
    Drei.
    Nichts.
    Jetzt drücke ich alle Tasten gleichzeitig.
    Nichts. Nichts. Nichts.
    Ich schreie das Bedienelement an und nehme meine Fäuste zu Hilfe, was den Effekt hat, das sich der Fahrstuhl zwar nicht in Bewegung setzt, dafür aber der E-Knopf vom Gehäuse springt und lautlos auf die dünne Teppichauslegeware kullert. Ich bin ein bisschen neidisch. Wie er so stumm daliegt und seelenruhig auf das Ende wartet.
    »Ist echt alles okay mit dir?«
    »Klar, warum nicht?«, keuche ich, und in meinem Kopf hört sich meine Stimme tiefenentspannt und souverän an.
    Reines Wunschdenken.
    »Weil deine Augenlider so nervös flattern. Außerdem hängt dir da ein Spuckefaden …« Melanie hebt ihren Finger und wischt damit über mein Kinn. Eine Gestik, die mich an meine Tante Erika erinnert und vollends aus dem Konzept bringt.
    »Du stehst nicht so auf Aufzüge, was?«, rät Erika das Schaf ins Blaue hinein.
    Ich schüttele vehement mit dem Kopf. Ein Teil meiner Spucke trifft den Spiegel.
    Ihre Augen suchen meinen Blick. Sie sind so tiefgründig braun. Besänftigendes Braun. Und aus irgendeinem Grund beruhigt mich das tatsächlich ein wenig.
    »Kein Grund zur Panik«, flüstert sie, »uns kann nichts passieren.«
    Filme wie Abwärts , Fahrstuhl des Schreckens und Blackout lassen ihre spannungstechnischen Höhepunkte vor meinem geistigen Auge Revue

Weitere Kostenlose Bücher