FKK im Streichelzoo - Roman
seiner Rolle als Agent gerecht und zückt einen Stapel Papier aus seinem braunen Ludenmantel. Ich entsende ein Dankgebet und beziehe meine Urologin mit ein – Gott sei Dank ist der fiese Pilz schon wieder fast ganz verheilt.
Ich nicke also an den richtigen Stellen und freue mich. Eigentlich läuft alles gut.
Genau. Zu gut.
Und gerade, als ich denke, die sind ja alle echt nett hier, wird es skurril. Wie auf Kommando zieht Martin eine teuer aussehende Digitalkamera, ein zusammengerolltes Maßband und ein Geodreieck hervor.
Shit, denke ich noch, auf einen Mathetest bin ich überhaupt nicht vorbereitet!
Dann klatscht Harry in die Hände: »Okay, dann mach dich mal nackig, Calvin.«
»Äh …«
Ich suche Blickkontakt zu Jean, der aber die Reste unter seinen Fingernägeln ungleich interessanter zu finden scheint. Als Nächstes muss ich kurz über mich selbst lachen und verfluche zum vermutlich millionsten Mal meinen Agenten, der es wieder mal geschafft hat, meinem noch jungen Leben einen weiteren erniedrigenden Moment hinzuzufügen.
»Ich heiße Quentin«, sage ich, und eine halbe Minute später bin ich der einzige nackte Mann im Raum.
Ich fühle mich schäbig. Bis auf die Socken entblößt, stehe ich wie befohlen an der weißen Wand, die für meinen ebenfalls recht blassen Teint nicht gerade vorteilhaft ist. Während Harry mir Anweisungen gibt, in welche Richtung ich mich zu drehen habe, lässt Martin den Blitz seiner digitalen Spiegelreflexkamera aufflammen. Das Fotografieren lasse ich kurz und schmerzlos über mich ergehen. Ein Frontalfoto, eines von hinten, eines von der Seite, ein Close-up des Intimbereichs – zum Glück haben die Tonnen von Salbe, die ich mir im Drei-Stunden-Rhythmus auf mein bestes Stück geschmiert habe, ihre Wirkung getan, und es ist wieder vorzeigbar – sowie ein Porträt. Das fällt noch in meine Doppel-E-Kategorie: entwürdigend, aber erträglich.
Schließlich greift Martin nach einer Fernbedienung und lässt eine Szene aus dem Streifen Final Penetration 3 laufen. Den kenne ich bereits von Nils. Das Bild zeigt eine Lesbenszene mit Sheera Gail, die sich von einer üppigen Dunkelhäutigen oral verwöhnen lässt.
»Ist die Stelle okay für dich, Severin?«, fragt mich Harry.
»Quentin.«
Ich verstehe nicht so recht, was er nun genau damit meint. Die Dramaturgie? Das historisch referenzielle Zusammenspiel der exotischen Zofe und der blasshäutigen Sheera in der dominanten Rolle der Herrin als Gesellschaftsspiegel der Viktorianischen Epoche? Die Kamerafahrt auf die entscheidende Szene mit dem Zoomschwenk zur musikalischen Untermalung von »Sexual Healing«? Ich ertappe mich dabei, wie ich mich einen klitzekleinen Moment geschmeichelt fühle, dass er ausgerechnet mich um die künstlerische Meinung zu einer seiner Szenen fragt. Gerade, als ich zu einer kompetent ausformulierten Antwort ausholen möchte, konkretisiert er seine Frage: »Zum Wichsen, meine ich. Oder soll ich vorzappen? Danach kommt noch ’n Blowjob in ’nem Windkanal.«
»Äh …«
Das deutet er als ein Ja und klatscht wieder in die Hände. »Dann leg mal los, damit Martin Maß nehmen kann.«
Ich bin hier im komplett falschen Film, denke ich. Wieder suche ich verzweifelt Blickkontakt zu Jean, der aber tut nichts weiter, als symbolisch etwas mit seiner Hand zu schütteln und mir aufmunternd zuzunicken. Eine eindeutige Geste.
Ich gebe mir Mühe, mich auf die Szene und meine Erektion zu konzentrieren und die anwesenden Herren auszublenden, die mir erwartungsvoll bei der Penismassage zuschauen. Endlich kommen mir die unzähligen Yogakurse zugute, die ich während meines Studiums besucht habe. So übe ich mich in einer gleichmäßigen Atmung und versuche, an etwas Schönes zu denken. Volle Konzentration auf das Wesentliche. In Anbetracht meiner jüngsten Erlebnisse ein gar nicht so leichtes Unterfangen. Verzerrte Bilder werden vor meine geschlossenen Lider projiziert. Ein schwarz glänzender Riesendildo, der einen winselnden Schäferhund an der Leine führt. Ich, meine Blöße mit nicht viel mehr als einem Genitalschnauzbart bedeckt, in einem Aufzug, der ins Bodenlose stürzt. Melanie, die in ein Bananenkostüm gekleidet meinen Schwanz schält.
Ich rubbele mir einen Wolf. Aber anstatt eine Erektion zu bekommen, merke ich, wie meine Wangen zu glühen beginnen.
»Na? Wie schaut’s aus?«, höre ich Harrys brummigen Bass.
Es hilft nichts, ich muss hier meinen Mann stehen! Los, Quentin, reiß dich am Riemen!
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