FKK im Streichelzoo - Roman
echt ins Auge gehen können!«
Ich halte ihr resigniert meine kalte Hand zur Verabschiedung hin. Ich hab’s verbockt, soviel ist klar. Aber ich werde erhobenen Kopfes abdanken.
Sie sieht mir in die Augen. Dann, auf einmal und ohne dass ich auch nur ansatzweise damit gerechnet hätte, lacht sie schallend los, und auch ich kann mich plötzlich nicht mehr halten. Einen besseren Zeitpunkt, um alles auf eine Karte zu setzen, wird es nicht geben.
»Ich würde das wirklich gerne wiedergutmachen«, sage ich lachend. »Vielleicht darf ich Sie mal zu einem Abendessen einladen?«
Ihre Augen mustern mich abschätzend. Ich halte noch immer ihre Hand, und sie macht auch keine Anstalten, sich loszureißen. Die Sekunden ziehen sich wie ein zäher Kaugummifaden hin.
»Warum eigentlich nicht?«, erlöst sie mich schließlich. »Gern! Ich bin übrigens Cassandra.« Und dann schenkt sie mir ein zauberhaftes Lächeln, von dem ich schon jetzt weiß, dass es mich bis an mein Lebensende verfolgen wird.
Es stimmt tatsächlich. Ich kann glücksbringende Drogen in meinem Körper selbst erzeugen. Alles, was es dazu braucht, ist diese Frau. Ich kann ganz genau spüren, wie meine Gehirnregionen aktiv werden und eine Überproduktion an Neurotransmittern starten. Serotonin, Dopamin, alles brodelt und blubbert sich zu einer zähflüssigen Suppe aus purem Glück zusammen. Das Leben ist so schön!
Es knistert, brutzelt und funkelt. Nicht im wörtlichen Sinne, aber im übertragenen. Wir stehen einander gegenüber, lassendie Hand des anderen noch immer nicht los und grinsen verschmitzt um die Wette. Ich für meinen Teil könnte noch ewig so stehen und mich im Glanz ihrer Augen verlieren. Dennoch bin ich beinahe froh, als mein Smartphone klingelt und mich aus der einlullend hypnotischen Endlosschleife dieser Situation befreit.
»Hallo?«
»Bellinghausen hier. Doktor.«
Mein Chefredakteur Schrägstrich Exposé-Autor lässt mir gar nicht erst die Möglichkeit, überrascht darüber zu sein, dass er sich persönlich bei mir meldet, ohne zuvor von seiner Sekretärin angekündigt zu werden, da bellt er mir auch schon ins Ohr: »Was macht der Abschlussband?«
»Fast fertig«, lüge ich einen ganzen Sternenhaufen vom Himmel.
»Das ist gut. Hören Sie, Bachmann. Ich brauche Sie! Was machen Sie morgen Abend?«
15
Alter? Aussehen? Sympathie? Innere Werte? Spielen für Bärenmakis keine Rolle. Die Männchen paaren sich einfach mit jedem Weibchen, das nicht bei drei auf dem Baum ist. Der Akt selbst erfolgt kopfüber an einem Ast hängend.
Ich räuspere mich und bin erstaunt über die sofort einkehrende Ruhe. Mit einem Schlag fixieren mich mehrere Dutzend hinter Brillen verborgene, tränenbesackte Augenpaare.
»Meine Herren, es freut mich sehr, dass Sie heute so zahlreich erschienen sind …«
Lesungen gehören eigentlich zum täglichen Brot eines jeden namhaften Autors, der etwas auf sich hält. Und genau da liegt der Hund begraben. Ich bin weder namhaft noch halte ich etwas auf mich. Schon gar nicht gehören Lesungen zu meinem täglichen Brot. Im Gegenteil: Sie bilden die absolute Ausnahme.
Und so wundere ich mich wenig, dass es sich bei meinem Einsatz nicht um eine besondere Aufmerksamkeit meines Chefredakteurs Schrägstrich Exposé-Autors handelt, um mich, den Autor, mit einem Zuckerli zu belohnen, sondern um eine Strafaufgabe für mich, den Niemand, um mich als Lückenbüßer für meinen Kollegen John Starfist in die Höhle des Löwen zu schicken, wie mir das Verlagsposter an der Eingangstür verraten hat. John Starfist ist das Flaggschiff der Jerry Lightning-Serie. Doch Koblenz scheint dem feinen Herrn keine Reise wert zusein, also muss die Rhein-Mosel-Metropole mit einem ihrer Söhne vorlieb nehmen. Das haben wir beide nicht verdient.
Mit jedem weiteren Wort, das ich an mein Publikum richte, wird mein Organ schwächer. Ich nehme einen großen Schluck aus dem Wasserglas, das die Bibliothekarin freundlicherweise bereitgestellt hat, und muss laut aufstoßen. Sprudelwasser – wie unprofessionell kann der Abend noch werden?
Vereinzeltes von peinlicher Berührung zeugendes Gekicher erreicht das Podest. Meine Wangen feiern Karneval und gehen als Leuchtdioden. Sex vor der Kamera macht mir nichts aus. Aber wildfremden Menschen eine von mir verfasste Geschichte vorzulesen, fördert mein Reizdarmsyndrom. Ich spüre einen drückenden Schmerz in meinem Bauch.
»Ich bin kein Mann der großen Worte – zumindest nicht der
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