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Flagge im Sturm

Titel: Flagge im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirinda Jarrett
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nie geglaubt, keinen Moment lang. Was Ihr heute Abend mit mir gemacht habt, daran war ich selbst schuld. Es war klug von Euch, vorsichtig zu sein.“
    „Schon gut, Demaris. Es ist schon gut.“ Er schleppte sich zu der Rollpritsche, ließ sich stöhnend darauf nieder und drehte sich zur Wand.
    Als Demaris am nächsten Morgen in die Küche kam, war Jonathan fort. Die Decke hatte er sauber zusammengefaltet ans Fußende der Rollpritsche gelegt und das Kopfkissen ordentlich glattgestrichen. Nichts deutete darauf hin, dass er überhaupt jemals hiergewesen war.
    Demaris fasste es nicht, dass er auf diese Weise und ohne ein Wort des Abschieds gegangen war. Das war selbstverständlich ihre eigene Schuld, wie hatte sie auch Daniels unsinniges Geschwafel über die Piraten ausplaudern können! Sie hätte doch wissen müssen, wie empfindsam Jonathan war.

Doch wohin mochte er gegangen sein? Gestern Abend hatte sie bemerkt, wie sehr ihn das Bein noch schmerzte, und das, obwohl er nur zehn Schritte gegangen war. Mit einem Mal fielen ihr Royal und Puck, ihre beiden Wallache ein, die für den Sattel ebenso geeignet waren wie fürs Zuggeschirr. Sie griff sich ihren Umhang und eilte zum Stall.
    Auf halbem Weg über den Hof erinnerte sie sich daran, dass sie die Pferde ja gestern Abend beim Haus der Turners gelassen hatte. Ihr fiel selbst auf, wie sehr sie Jonathan misstraut hatte.
    Wahrscheinlich hatte er recht. Sie fürchtete sich wohl tatsächlich vor ihm, und zwar nicht irgendwelcher Dinge wegen, die er getan haben mochte, sondern wegen der Gerüchte, die andere Leute über ihn erzählt hatten. Demaris schüttelte den Kopf. Wieso verließ sie sich nicht auf ihr eigenes Gefühl, das ihr sagte, sie könnte Jonathan vertrauen?
    Sie blickte zum Wasser und zu den Möwen, die ihren Tanz über den Fluten aufführten. Ganz unten bei den Felsbrocken entdeckte sie etwas Rotes. Die Farbe dieses Rocks hätte sie überall erkannt, und sie sah sogar das Sonnenlicht auf der Doppelreihe der Messingknöpfe blitzen. Ihr Herz schlug einen kleinen Purzelbaum, so froh war sie darüber, dass Jonathan doch noch nicht aus ihrem Leben verschwunden war. Eilig lief sie zum Strand hinunter.
    Er lag auf dem Boden, eine provisorische Krücke neben sich. Demaris fand, dass er an diesem Morgen wesentlich besser aussah. Der Wind hatte seine Wangen gerötet, und das ungebundene lange schwarze Haar umflatterte sein Gesicht. Im hellen Sonnenschein erschienen seine Augen noch grüner als im Inneren des Hauses.
    Offensichtlich hatte er sich rasiert, und die Haut an seinem Kinn war davon ein wenig gereizt.
    „Ich sehe, Ihr habt Euren Rock gefunden“, rief sie ihm entgegen. In welcher Stimmung mochte sich Jonathan wohl nach der gestrigen Nacht befinden?
    „Ich müsste ja blind sein, um eine solche Jacke zu übersehen“, meinte er und klopfte einladend auf das Kleidungsstück, das neben ihm auf dem Boden lag. Heute wollte er heiter sein, oder doch zumindest höflich.
    Vorsichtig bewegte sich Demaris über die Steine zu ihm hinunter und hielt sorgsam ihre Röcke fest, während sie sich
    zu ihm setzte.
    Die Art, wie sie sich bewegte, so sicher, so anmutig und so damenhaft, doch nicht im Geringsten geziert, gefiel Jonathan ungemein, und er musste daran denken, wie gut ihr und sein Körper gestern Abend zusammengepasst hatten. Was hätte er jetzt darum gegeben, ihr diese alberne Haube vom Kopf ziehen zu dürfen und das herrliche honigfarbene Haar lose im Wind fliegen zu sehen!
    Stattdessen griff er in seine Rocktasche, holte sechs Goldguineen heraus und hielt sie Demaris entgegen. „Ihr seid eine ehrliche Gastwirtin, Mistress Allyn. Ihr habt das Geld in meinen Taschen gelassen. Hier bitte, nehmt es als Lohn für Eure guten Dienste.“
    Demaris schüttelte den Kopf und schlang die Hände um ihre Knie, obwohl Jonathan ihr die Münzen beharrlich weiterhin entgegenhielt.
    „Ihr lehnt es wohl ab, an meiner Piratenbeute beteiligt zu sein, was?“, fragte er scheinbar erheitert. „Ihr seid zu rein, um von meinem Gold befleckt zu werden, ja?“
    „Nein, Jonathan, darum handelt es sich nicht“, antwortete sie vollkommen ernst und sachlich. „Ich erklärte Euch bereits, dass meine Gastfreundschaft keinen Preis hat. Da mir jedoch bekannt ist, dass andere Menschen dafür sehr oft Bezahlung erwarten, nehme ich Euch Eure sicher wohlgemeinte Geste auch nicht übel.“
    Ungehalten steckte sie eine lose flatternde Strähne unter ihre Haube zurück. „Ich leide es indessen nicht,

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