Flames 'n' Roses
folgen zu lassen, zog ich gleich meinen Kommunikator aus der Tasche und schickte Raquel eine Nachricht, in der ich sie fragte, wann wir uns unterhalten könnten. Nach ein paar Minuten piepste es. »Oh. Sie ist für drei, vier Tage weg«, wandte ich mich an Lend. »Aber ich rede mit ihr, sobald sie wiederkommt. Die IBKP liegt total falsch. Die sind so beschäftigt mit ihrer Angst und ihrem Kontrollfimmel, dass sie die Paranormalen, die ihnen helfen könnten, ganz übersehen. So wie dich. Ich werde Raquel davon überzeugen, dass sie dich ohne Fußfessel gehen lässt.«
»Hoffentlich schaffst du’s.«
»Ja, hoffentlich.« Ich seufzte. Auf einmal war alles so kompliziert geworden, so ernst. »Erzähl mir was über dich – was Lustiges, Nettes.« Ich rutschte ein Stück zurück und lehnte mich an die Wand. Lend rutschte hinterher und blieb dicht neben mir.
»Was willst du denn wissen?«
»Wie sieht dein Leben da draußen aus? Also … du musst mir natürlich keine Geheimnisse verraten«, fügte ich hastig hinzu. »Ich meine nur, gehst du zur Schule und so was?«
»Ich bin fast mit der Highschool fertig. Hab gerade meine Aufnahmebestätigungen für die Colleges gekriegt, an denen ich mich beworben habe.« Er lächelte. »Obwohl ich natürlich keine Ahnung habe, wie ich den ganzen Stoff, den ich gerade verpasse, bis dahin nachholen soll.«
»Du willst aufs College? Wie cool ist das denn? Aber Moment, eine normale Highschool? Wow. Wie ist das da so? Hattest du schon deinen Abschlussball? Gehst du auf viele Partys? Hast du auch einen Spind?«
Er lachte. »Einen Spind?«
»Ja klar, die sind doch total cool.«
»Äh … ja, Spinde, natürlich – die sind echt der Hit. Auf der Highschool ist es eigentlich gar nicht so spannend. Ist ein bisschen so wie hier in der Zentrale. Alle meinen, sie wüssten alles über jeden, obwohl unter der Oberfläche noch viel mehr steckt. Aber das weißt du ja schon, stimmt’s?« Er stieß mich mit dem Ellenbogen an. »Und was Bälle und so angeht, nein, ich gehe nicht auf Dates. Falls du das wissen wolltest.«
»Wieso nicht? Guck dich doch mal an, du bist total süß!« Ich wurde rot. »Ich meine, du kannst immerhin so aussehen, wie du willst. Die Mädchen rennen dir doch sicher die Bude ein.«
»Tja, dieses Gesicht hier ist ziemlich beliebt, da hast du wohl recht.«
»Wessen Gesicht ist es wirklich?«
Er lächelte geheimnisvoll. »Meins. Auf gewisse Weise. Aber es ist komisch, anderen Leuten gegenüber – so als würde ich ihnen nur was vormachen, eine Rolle spielen. Und es ist ja auch nur die Rolle, die sie mögen. Mich selbst kennen sie gar nicht richtig.«
»Verstehe.« Ich fügte nicht hinzu, dass mir seine Haltung, was Dates anging, sehr, sehr gut gefiel. Das war die beste Neuigkeit der ganzen Woche. Wenn Lend wie einer der Jungs aus meinen Serien wäre, würde er mit jedem Mädchen was anfangen, sowohl vor der Kamera als auch sonst. Ausnahmsweise war ich mal richtig froh, dass es im wahren Leben nicht wie in einer Fernsehsendung zuging.
Dann fiel mir etwas ein, was ich wirklich gerne wissen wollte. »Hast du eine Familie?« Meine Stimme klang rau bei der Frage. Mehr als Highschool, Abschlussbälle oder auch Dates – sogar mehr noch als Spinde – war das Thema Familie etwas in meinem Leben, das mich mit Bedauern und Traurigkeit erfüllte. Außer Raquel und Lish hatte ich niemanden. Und auch nie gehabt.
»Das fällt leider in die Kategorie der Dinge, die ich dir nicht erzählen kann.« Ich zog ein langes Gesicht und er fügte hinzu: »Noch nicht. Was ist mit dir? Wie bist du hier gelandet?«
»Ich bin so ’ne Art Findelkind.« Ich erzählte ihm die Geschichte von dem Vampir auf dem Friedhof.
»Du hast also nie eine Familie gehabt?«
»Nö, bloß Pflegefamilien. Manche von denen waren ganz okay, aber die glücklichste oder harmonischste aller Kindheiten war das natürlich trotzdem nicht.«
»Tut mir leid.«
»Ja, mir auch.« Ich dachte nicht gern darüber nach; der Gedanke, dass meine Eltern, wer immer sie auch sein mochten, mich nicht gewollt hatten, tat einfach weh. Wenn sie mich weggegeben hätten, hätte ich das ja noch verstehen können, aber sie hatten mich einfach im Stich gelassen. Ich konnte mich weder an sie noch an irgendetwas anderes erinnern, das vor den Kinderheimen und der Reihe Familien gewesen war, die mich aufgenommen und schließlich weitergereicht hatten. »Na ja, ist schon okay. Raquel ist eigentlich supernett – sie meckert so viel an mir rum,
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