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Flaming Bess 04 - Das Grauen an Bord

Flaming Bess 04 - Das Grauen an Bord

Titel: Flaming Bess 04 - Das Grauen an Bord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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in waberndes Grau, und aus dem Grau stieg eine Frau zu ihm herab.
    Sie war klein und zierlich, mädchenhaft schmal, fast ätherisch, mit heller, durchscheinender Haut und schulterlangen Haaren, so rot wie lodernde Flammen.
    Sie kam aus dem Nichts und fand leichtfüßig Stufen in der Luft, und die ganze Kabine glühte plötzlich im Widerschein ihres Flammenhaars.
    Und ihr Gesicht … ihr liebliches Gesicht … war verbrannt.
    Goldberg wollte schreien, doch kein Laut drang über seine Lippen. Er wollte aufspringen und zur Tür stürzen, aus der Kabine fliehen, irgendwohin, wo andere Menschen waren, aber er konnte sich nicht bewegen. Es war ein schrecklicher Moment, noch weit entsetzlicher als seine Begegnung mit dem Kälteschläfer unten im vergessenen Lagerraum des 3. UD. Ihn hatte nicht nur eine einfache Lähmung befallen, sondern irgend etwas in ihm, in seinem Kopf, hinderte ihn daran, auch nur einen Muskel zu rühren.
    Er war hilflos.
    Er konnte nur daliegen und die Frau anstarren, die Frau aus dem grauen Nichts, mit dem verbrannten Gesicht, die Frau; die auf seiner Heimatwelt Eiry zurückgeblieben war, während er mit dem letzten Fluchtschiff Terminus erreicht hatte.
    Tyna, dachte er, geliebte Tyna … Aber du bist tot, auf Eiry gestorben …
    Sie stand jetzt an seinem Bett und sah ihn an, mit klaffenden Wunden, statt mit Augen, und er roch den süßen, übelkeiterregenden Gestank verbrannten Fleisches. Ihre verkohlten Lippen öffneten sich, und er hörte Worte, halb erstickt, und hinter den Worten vernahm er das Brausen und Prasseln der großen Feuer, die die goldenen Wälder von Eiry verzehrt hatten.
    »Etwas ist geschehen, Samwell«, zischelte Tyna. »Die Gruben der Zeit haben sich geöffnet, und das, was für ewig begraben war, ist zu neuem Leben erwacht. Hörst du mich, Samwell, hörst du mich?«
    Er konnte nicht antworten.
    Klamm vor Angst blickte er zu ihr auf, und wieder dachte er: Aber du bist tot!
    »Weißt du noch, Samwell«, flüsterte die Frau, »weißt du noch, wie es war, als sie aus den Schatten kamen? Als sie dem Fiebertraum der Nacht entstiegen und aus den Schatten zu uns kamen. Weißt du noch? Weißt du noch?«
    Es ist nur ein Traum, dachte Goldberg Sterne, große Sterne, es ist nur ein verdammter Alptraum!
    »Warum bist du nicht bei mir geblieben, Samwell? Warum mußtest du fortgehen und mich allein zurücklassen? Zwischen all den Toten und all den Flammen … Der Himmel war ein einziges Feuer und die Welt in Rauch gehüllt. Und da waren die Schatten, Samwell. Schatten, die wie Tore waren, und aus den Schatten kam der Tod zu mir.« Sie lächelte mit rußgeschwärzten Lippen, »Zu mir und nicht zu dir. Doch nun ist der Tod auch hier. Spürst du ihn nicht? Spürst du nicht, daß er in dir ist?«
    Aus den Wunden ihrer Augen tropften Tränen, und eine Träne fiel auf seine Wange, dort, wo ihn auch die kalte Hand des Schläfers berührt hatte.
    Der Tropfen brannte wie Säure. Der Schmerz löste die Lähmung.
    Mit einem gellenden Schrei fuhr Goldberg hoch — und plötzlich war die Halluzination verschwunden Tyna hatte sich in Luft aufgelöst, die Decke der Kabine war wieder unversehrt, selbst der beißende Brandgeruch hatte sich verflüchtigt. Zitternd saß Goldberg im Bett und rieb sich die schmerzende Wange.
    Nur ein Alptraum, dachte er wieder, doch der Gedanke beruhigte ihn nicht. Im Gegenteil; während sich sein jagender Puls allmählich normalisierte, brach die Erinnerung über ihn herein: das Knistern und Klirren des zerspringenden Eises, das wahnsinnige, verzerrte Gesicht des Schläfers, der nach Äonen langer Ruhe sein kaltes Bett verließ, die grünlich-blau bemoosten Augen, in denen sich alles Grauen diese Welt zu spiegeln schien, dann die Berührung der bleichen Hand und seine panische Flucht …
    Nervös strich Goldberg über sein zerzaustes rotes Haar.
    Nur undeutlich entsann er sich, wie er zum 2. Oberdeck hinauf und in seine Kabine gelangt war. Ein Wunder, daß ihn Clusters Patrouillen nicht erwischt hatten.
    Er drehte den Kopf und warf einen Blick auf den Chronometer an der Wand.
    Er hatte fast zwanzig Stunden geschlafen!
    Mit einem Satz sprang er aus dem Bett. Verdammt, er mußte etwas unternehmen!
    Der Kälteschläfer — bei allen Sternen, der Mann war verrückt. Diese Augen! Wahrscheinlich war sein Gehirn im Lauf der langen Tiefschlafperiode geschädigt worden.
    Ich kann nicht zulassen, daß dieser Wahnsinnige ungehindert im Schiff herumschleicht, dachte er grimmig. Ich muß

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