Flaming Bess 07 - Das galaktische Archiv
Verräter hat keine Freunde, bei denen er Schutz suchen kann. Du stürzt aus deiner Kabine und legst die kurze Strecke zum Zentralschott im Laufschritt zurück. Auch das Sensorschloß des Schotts akzeptiert dich — es kann nicht erkennen, dass du unter der Macht eines fremden Willens stehst.
Das Schott gleitet zur Seite, und die Zentrale ist dein.
Einen Augenblick verharrst du auf der Schwelle und schaust dich um: ein amphitheaterähnlich aufgebauter großer Raum, der zum riesigen, schräggeneigten Fenster des Hauptbildschirms hin terrassenförmig abfällt. Zu beiden Seiten wird der Großmonitor von der Galerie begrenzt; an den Schaltwänden entlang der Galerie leuchten Hunderte von Dioden wie symmetrisch angeordnete Fixsterne. Die Kontrollpulte auf den einzelnen Ebenen und der liegeähnliche Spezialsitz der Psychonautin unmittelbar vor dem Hauptbildschirm sind unbesetzt, und nur Vira Mandalas verwaistes Terminal ist in Betrieb. Ein Teil der Displays zeigt Rotwerte, und der eingeschaltete Großmonitor liefert ein Wirrwarr unscharfer, widersprüchlicher Ortungsbilder.
Du schenkst den Geisterbildern keine weitere Beachtung, sondern eilst die Treppe hinunter zum Pult der Kommandantin. Dein eigenes Terminal ignorierst du; es gehört zum Täuschungsmanöver des Marionettenspielers in deinem Kopf, den Verdacht auf die Kommandantin zu lenken. Vielleicht steckt auch ein grausamer Scherz dahinter — jene, die dich mißbrauchen, wissen, wie sehr du Flaming Bess verehrst.
Seit du die Zentrale betreten hast, sind erst wenige Sekunden verstrichen, aber die Zeit scheint sich zu dehnen, als hättest du mit deinem Willen auch dein Zeitgefühl verloren.
Am Terminal der Kommandantin bleibst du stehen und betätigst eine Reihe von Sensorschaltungen. Auf dem Hauptmonitor weicht das Geflimmer der Geisterbilder einem Schriftzug: BORDSENDER VORAKTIVIERT. BITTE FREQUENZ UND ZIELKOORDINATEN ANGEBEN. In dir formt sich eine Zahlen- und Ziffernkombination heraus, und du tippst sie in das Eingabegerät. Der Schriftzug wechselt. VERBINDUNG WIRD HERGESTELLT. BITTE WARTEN.
Es dauert nicht lange.
Der Empfänger deines Funkspruchs ist nur wenige Lichtjahre von der NOVA STAR entfernt, und der Sender schickt seine Impulse durch den Pararaum.
Ein Gesicht erscheint auf dem Hauptbildschirm. Du kennst dieses Gesicht. Es ist hart und kantig, als wäre es aus Stein gehauen, die Augen sind eisgrau, die Brauen strichdünn rasiert. Es ist das Gesicht deines größten Feindes, den du zu töten geschworen hast, aber du empfindest nichts, weder Haß, noch Hilflosigkeit, weder Zorn, noch Furcht. Du bist ein Werkzeug.
Werkzeuge haben keine Empfindungen
»Sie sind allein?« fragt Kriegsherr Krom, dein Feind, dein Meister. Du bestätigst.
»Wird die NOVA STAR ihre derzeitige Position beibehalten?«
Du verneinst und nennst ihm die Koordinaten des grünen Sterns, den das Schiff in wenigen Stunden ansteuern wird.
Kroms Gesicht zeigt keine Gefühlsregung. Auf gewisse Weise ist er dir sehr ähnlich — auch Krom hat keine Gefühle, und wenn doch, dann hat er sie tief im dunklen Eis seiner Seele begraben.
»Gut«, sagt der Kriegsherr kalt. »Ich habe Befehle für Sie, und Sie werden diese Befehle Punkt für Punkt ausführen. Hören Sie zu. Hören Sie gut zu.«
Du hörst zu. Du merkst dir jedes Wort, und du wirst tun, was von dir verlangt wird. Du bist ein gutes Werkzeug. »Haben Sie alles verstanden?«, fragt Krom. Du bestätigst.
»Diese Befehle treten vier Stunden nach Ankunft der NOVA STAR im System der grünen Sonne in Kraft«, fügt Krom hinzu. »Erst dann werden Sie sich an meine Anweisungen erinnern und handeln. Wenn dieses Gespräch endet, werden Sie alle Spuren verwischen, in Ihre Kabine zurückkehren und den Vorfall vergessen. Haben Sie verstanden?«
Du hast verstanden. Eine Sekunde lang blickst du noch in die eisigen Augen deines Todfeindes und Meisters, dann wird der Bildschirm grau, kurz darauf wieder die von dir programmierten Geisterbilder zu zeigen. Demnach hat Vira Mandala die Störung noch nicht beheben können.
Wie Krom befohlen hat, löschst du im Speicher des Bordcomputers die automatisch angefertigte Aufzeichnung des Funkgesprächs sowie den kodierten Vermerk im Register. Dann deaktivierst du das Kontrollpult der Kommandantin und eilst hinauf zur Galerie. Ehe du das Hauptschott öffnest, schaltest du den seitlich angebrachten Kleinmonitor ein, der mit der Videokamera des Kabinengangs verbunden ist.
Der Gang ist
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