Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
daß ich jeden einzelnen Schweißtropfen unter meiner Uniform wie ein Insekt an meiner Haut herunterlaufen spüre. Aus den Hütten dringt kein Licht und kein Geräusch, und einzelne Marines sitzen apathisch auf dem Boden, eine Zigarette im Mund, in gespannter Erwartung, die Waffen an die Rucksäcke gestellt. Manche kauen auf Red-Man-Kautabak oder nicht angezündeten Zigarren herum, stopfen sich Schokoladenriegel in den Mund und spucken dauernd zwischen den Beinen aus.
Dann, ohne daß man je einen ersichtlichen Grund dafür finden würde, zieht jemand die Zündnadel aus einer Splittergranate, löst die Sicherung und läßt sie in eine Hütte rollen. Die Explosion fetzt unten das Stroh aus den Wänden der Hütte, läßt den Eingang in einer quadratischen Stichflamme aufleuchten, und ein einzelner Wasserkessel schießt sich wild überschlagend quer über die Lichtung. Für den Bruchteil eines Augenblicks sehen wir im Innern der Hütte die Umrisse von Menschen, große und kleine, aber sie haben sich aufgegeben, sich damit abgefunden, hier aus den Händen eines zornigen oder verängstigten oder gelangweilten Jungen aus South Carolina oder Texas einen willkürlichen, zufälligen Tod zu empfangen. Ihre Silhouetten verschmelzen mit dem brennenden Stroh wie Schatten, die in der Erde versinken.
Aber die Flammen, die an den Seiten durch die Hütte brechen und zum Dach hochzüngeln, brennen nicht wie ein normales Feuer. Statt dessen ist es, als hätte sich ein starker Wind des Feuers bemächtigt, es zu einem wahren Strudel hochgeblasen, der mit der schieren, reinen Intensität von weißem Gas brennt. Dann wird das Feuer so grell und blendend wie eine Phosphorgranate, und die Hitze drängt uns zurück in die tanzenden Schatten am Rande der Lichtung.
Hinter mir höre ich schmale Speichenräder über den Lehmboden rollen, und ich drehe mich um und sehe Tony, der Paul im Rollstuhl auf das weiß leuchtende Feuer zuschiebt. Tonys grüne Armeehosen sind sonnengebleicht, von Salzflecken überzogen und beschmiert mit Schweiß und Erde und Exkrementen aus einem Reisfeld. Er schiebt Paul durch die Tür in die Flammen, und ich will sie aufhalten, aber meine Füße sind wie festgenagelt, und meine Hand ist nicht mehr als eine bedeutungslose, ausgestreckte Klaue.
Tonys Kleider beginnen in der Hitze zu dampfen; dann brechen er und Paul wie riesige Kerzen gleichzeitig in Flammen aus. Das Feuer ist jetzt nicht mehr geräuschlos, es klingt wie ein Wind, der in einem Tunnel heult, man hört das Pfeifen, mit dem überhitzte Luft durch Holz bricht. Und man hört es dumpf ploppen, wie zerspringende Harzblasen – das Geräusch, mit dem sich Menschen in ihre Bestandteile auflösen. Haut und Organe und Knochen.
Aber ich habe mich getäuscht, was Tony und Paul angeht. Sie sind in dem vietnamesischen Dorf nicht gestorben. Sie tauchen hinten wieder aus dem Feuer auf und gehen Seite an Seite in den Dschungel. Ihre Körper sind in einen kalten, weißen Lichtkranz gehüllt, wie der Schein von Leuchtmunition. Das Licht verschwindet immer wieder hinter Baumstämmen und herabhängenden Schlingpflanzen, als sie tiefer in den Dschungel hineinlaufen. Das Pochen meines Herzens ist der einzige Laut, den man jetzt auf der Lichtung hört.
Tony beugte sich nach vorne. Er saß in einem Stuhl an meinem Bett, und ich sah die Silhouette seines Kopfes vor der orangefarbenen Morgensonne am Fenster. Er stupste mich mit zwei Fingern hart an die Schulter.
»Hey, aufwachen«, sagte er.
»Was?«
»Sie haben einen üblen Alptraum gehabt.«
»Was?« Ich hatte mich jetzt auf den Ellbogen aufgerichtet.
»Haben Sie immer eine Motorsäge im Kopf, wenn Sie aufwachen? Machen Sie schon, rappeln Sie sich auf. Wir haben heute viel vor.«
Ich setzte mich in der Unterwäsche auf die Bettkante, die Unterarme auf die Schenkel gestützt. Ich rieb mir das Gesicht und blickte wieder auf Tony, bemüht, ihn nicht länger mit meinem Traum in Verbindung zu bringen.
»Haben Sie gestern abend einen über den Durst getrunken oder was?« sagte er.
»Nein.«
»Okay, ziehen Sie sich an. Dann wollen wir frühstücken.«
»Was liegt an, Tony?«
»Sie fahren mit mir und Paul zum Angeln nach Mississippi.«
»Heute ist doch Schule, oder etwa nicht?«
»Seine Schule ist für ein paar Tage geschlossen. Die müssen Asbestreste aus der Decke entfernen und so was. Wollen Sie jetzt mit oder nicht?«
»Ich wollte heute eigentlich etwas mit Bootsie unternehmen.«
»Heute müssen Sie sie
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