Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
mürrisch und waren durchzogen von winzigen roten Äderchen.
»Ich möchte mit Dorothea reden.«
»Sie bedient an den Tischen. Sie hat grad viel zu tun.«
»Es dauert nicht lang. Rufen Sie sie bitte her.«
»Hören Sie, Mann, Sie sind hier fehl am Platze. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Nicht ganz.«
Er stand von seiner Arbeit auf und legte die Hände flach auf die Theke.
»Da drüben bei der Band, das ist sie«, sagte er. »Wollen Sie rausgehen und sie holen? Ist es das, was Sie wollen?«
»Sagen Sie ihr, sie soll herkommen, bitte.«
»Hören Sie, ich hab Ihnen nichts getan. Warum machen Sie mir Schwierigkeiten?«
Die Männer neben mir hatten ihr Gespräch unterbrochen und rauchten jetzt übertrieben beiläufig ihre Zigaretten und betrachteten ihre eigenen Spiegelbilder im Spiegel hinter der Theke. Ein Mann trug einen lavendelfarbenen Filzhut mit einer Feder in der Krempe. Seine Jacke hing an einer Seite schwer durch.
»Hören Sie, Mann, sind Sie mit dem Wagen da?« fragte der Barkeeper.
»Ja.«
»Gehen Sie raus und setzen sich rein. Ich schicke sie Ihnen raus«, sagte er. Dann änderte er den Tonfall. »Warum machen Sie dem Mädchen Ärger? Sie hat nichts getan.«
»Das weiß ich.«
»Warum machen Sie ihr dann Ärger?« fragte er.
Bevor ich mich umdrehte, um nach draußen zu gehen, sah ich eine große schwarze Frau in einem dunkelroten Kleid, die hinten stand, wo der Dielenboden endete, und mich ansah. Sie hatte die Hände auf den Hüften, das Kinn leicht angehoben; sie nahm die Zigarette aus dem Mund und blies Rauch in meine Richtung. Dabei wichen ihre Augen nicht von meinem Gesicht. In dem trüben Licht glaubte ich, oben auf ihren Brüsten blaue, verschnörkelte Tätowierungen gesehen zu haben.
Der Regen prasselte aufs Wagendach und rann in Strömen an den Fenstern herunter. Auf der Rückseite des Lokals, hinter dem muschelförmigen Parkplatz, der über und über mit plattgedrückten Bierdosen übersät war, standen zwei heruntergekommene Wohnwagen. Zwei Männer, die wie Latinos aussahen, in Arbeitskleidung aus Jeansstoff und Strohhüten, fuhren mit einem Pickup vor und klopften an einen der Wohnwagen, die Leiber dicht an die Tür gedrückt, um nicht im Regen zu stehen. Eine schwarze Frau öffnete die innere Tür und sprach mit ihnen durch die Fliegentür. Sie stiegen wieder in ihren Wagen und fuhren weg. Ich sah den einen von ihnen durchs Rückfenster nach hinten gucken, als sie auf die unbefestigte Straße bogen.
Fünf Minuten später erschien der Barkeeper mit einem kleinen farbigen Mädchen an seiner Seite im Eingang der Kneipe und deutete auf meinen Wagen. Sie rannte quer über den Parkplatz auf mich zu, eine ausgefaltete Zeitung über dem Kopf. Als ich die Beifahrertür aufstieß, sprang sie hinein. Sie trug schwarze Netzstrümpfe, ein kurzes schwarzes Kleid, wie es viele Kellnerinnen tragen, und eine lose weiße Bluse, unter der man ihren Seiden-BH sah, aber sie wirkte zu jung und zu klein für den Job, den sie da machte, und für die Art von Kleidung, die sie trug. Das Auffälligste an ihr war ihr Haar, schwarz und dicht und so gebürstet, daß es ihren ganzen Kopf in kleinen Kringeln umgab, fast wie ein Helm, der ihr Puppengesicht noch kleiner erscheinen ließ, als es ohnehin schon war. Sie war verängstigt und vermied es, mich anzusehen.
»Sie wissen, daß ich Polizeibeamter bin?« sagte ich.
»Jawohl, Sir.«
»Tee Beau hat mir das Leben gerettet. Ich will nicht, daß ihm etwas passiert. Ich bin hinter Jimmie Lee Boggs her. Er hat bei seiner Flucht zwei Menschen umgebracht und Tee Beau mitgenommen. Aber das wissen Sie ja alles, oder?«
»Jawohl, Sir, das weiß ich.«
»Sie müssen mich nicht Sir nennen. Wenn Tee Beau mir helfen kann, diesen Boggs zu finden, kann ich vielleicht Tee Beau helfen.«
Sie nickte mit dem Kopf. Ihre Hände lagen reglos auf der nassen Zeitung in ihrem Schoß.
»Hat er Ihnen gesagt, wo Boggs ihn abgesetzt hat?« sagte ich.
»Sir?« Ihre Augen warfen mir einen schnellen, schiefen Blick zu, dann sah sie wieder starr nach vorne.
»Als Sie mit ihm gesprochen haben, hat er da Jimmie Lee Boggs in irgendeiner Weise erwähnt?«
»Ich hab nicht mit Tee Beau gesprochen.«
»Ich wette doch«, sagte ich und lächelte.
»Nein, Sir, das hab ich nicht. Niemand weiß, wo Tee Beau ist. Tante Lemon weiß es nicht. Niemand weiß es.«
»Schon klar. Schauen Sie, Dorothea, ich gebe Ihnen jetzt eine Karte mit meiner Telefonnummer. Wenn Sie mit Tee Beau reden, geben Sie
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