Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
für einen Laden die da am Laufen haben. Aber das interessiert keinen, Mister Dave. Erzähl mir nich, daß es nich so ist. Als ich in Angola im Straflager war, war’s genauso. Die Männer mußten am Damm schuften und wurden hin- und hergekarrt wie Vieh. Jeden Tag sind sie mit Knüppeln geprügelt oder abgeknallt und an Ort und Stelle verscharrt worden. Jeder hat das gewußt, niemand hat sich drum gekümmert. Und es kümmert sich auch niemand um Tee Beau oder was ich zu sagen habe.«
»Du hättest mit jemandem reden sollen. Sie haben Tee Beau nicht auf den Stuhl setzen wollen, weil er Hipolyte getötet hat, sondern deshalb, wie er es getan hat.«
»Tee Beau war hier in diesem Haus und hat Krebse geputzt. Genau hier«, sagte sie und pochte mit dem Finger auf das Bügelbrett.
»Okay. Aber jemand hat sich in den aufgebockten Bus gesetzt und ist losgefahren, und der Wagen ist auf Hipolyte gelandet. Tee Beaus Fingerabdrücke waren überall auf dem Lenkrad. Schlammabdrücke von seinen Schuhen waren überall auf den Pedalen. Und zwar nur seine. Und als Hipolyte mit gebrochenem Rückgrat unter der Bremstrommel lag, hat ihm jemand einen Öllappen in den Mund gestopft. Er hat zwei Stunden gebraucht, bis er daran erstickt ist.«
»Das war nicht lang genug.«
»Wo ist Tee Beau?«
»Dir sag ich gar nix mehr. Reine Zeitverschwendung«, sagte sie. Sie nahm eine Zigarette aus einer Packung, die auf dem Bügelbrett lag, und zündete sie an. Sie blies den Rauch in die schwüle Luft. »Du bist ein weißer Mann. Du hast mit den Farbigen nix am Hut. Jetzt kommst du her, weil du Tee Beau brauchst, um diesen weißen Abschaum zu kriegen, der dich niedergeschossen hat. Du siehst nur einen schwarzen Jungen, der dir dabei helfen kann. Aber du weißt überhaupt nich, wie er wirklich ist, wie’s in ihm drin aussieht, wie sehr er seine Gran’-maman lieb gehabt hat, wieviel er sich aus Dorothea macht und was er alles für das Mädchen tun würde. Von all diesen Dingen hast du keine Ahnung, Mister Dave.«
»Wer ist Dorothea?«
»Geh in die Kneipe, frag sie selbst, wer sie ist. Und frag sie nach Hipolyte, und was Tee Beau für sie getan hat. Wo du doch der bist, der ihn auf den Stuhl bringen will.«
Ich verabschiedete mich von ihr, aber sie machte sich nicht die Mühe zu antworten. Als ich von der Veranda trat, regnete es heftig, und Schlammtropfen tanzten auf dem Lehmboden. Unten an der Kreuzung schimmerte die klapprige Fassade der Kneipe im grauen Licht, und die Neonbuchstaben über der Tür, Big Mama Goula’s, sahen im Regen, der von den Dachschindeln abprallte, aus wie purpurner Rauch.
Das Innere des Lokals war dichtgefüllt mit Schwarzen; Zigarettenrauch und diverse andere intensive Gerüche – getrockneter Schweiß, Muskat, Talkumpuder, Kutteln, Gumbo, abgestandenes Bier und Toiletten-Desinfektionsmittel – sorgten für dicke Luft. Die Jukebox dröhnte ohrenbetäubend, und die Billardspieler rammten die Kugeln rabiat in die Löcher, johlten und schlugen den Rahmen mit Wucht auf die dunkle Tischoberfläche. Hinter der Tanzfläche machte sich eine Zydeco-Kapelle mit Akkordeon, Waschbrett, den dazugehörigen Fingerhüten und einem elektrischen Baß auf einer kleinen Bühne bereit, die von orangenen Scheinwerfern und Hühnerdraht umsäumt war. Hinter den Musikern war in einem Fenster ein riesiger Ventilator, der den Zigarettenrauch aufsaugte und hinaus in den Regen blies, und in der Zugluft flatterte ihre Kleidung wie Vogelfedern. Dicht gedrängt standen Kunden an der Theke, aßen boudin und eingelegte Schweinsfüße von Papiertellern, tranken Jax-Bier aus langhalsigen Flaschen und wine spotioti, ein Mischgetränk aus Whiskey und Muskat, das einem eine Woche lang den Schädel brummen ließ.
Ich stand am Ende der Theke, sah, wie sich die Blicke für einen kurzen Moment abwendeten, hörte dann, wie die Gespräche wieder aufgenommen wurden, als sei ich nicht anwesend. Ich wartete darauf, daß der Barkeeper soweit war, mich zur Kenntnis zu nehmen. Er kam bis auf einen Meter in meine Nähe und machte sich daran, Hände voll Bierflaschen zwischen seinen Fingern aus einem Pappkarton zu holen und sie in die Eistruhe zu stecken. In seinem Mund steckte eine dünne, ausgegangene Zigarre.
»Was wollen Sie, Mann?« fragte er, ohne den Blick zu heben.
»Ich bin Detective Dave Robicheaux vom Büro des Sheriffs«, sagte ich und öffnete die Marke in meiner Hand.
»Was wollen Sie?« Seine Augen sahen mich zum ersten Mal direkt an. Sie wirkten
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