Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Mutter, die in dem abgestürzten Flugzeug ertrunken war, und dem Mord an Annie, meiner zweiten Frau, schon genug gelitten. Aber seit Jimmie Lee Boggs mich angeschossen hatte, war ich eher ein unfähiger Verwalter meines Hauses gewesen als ein Vater. Ich hatte keine Ahnung, wann ich wieder mit mir ins reine kommen würde und Sorge und Ungewißheit wieder aus Alafairs Augen weichen könnten. Eines wußte ich mit absoluter Sicherheit: Von alleine würde es nicht geschehen.
Also fuhr ich zu einem Café an der großen Straße, rief zu Hause an und bat Clarise, die Mulattin, die für mich das Haus in Schuß hält und als Babysitter dient, Alafair Abendessen zu machen und bei ihr zu bleiben, bis ich heimkam. Ich redete mit Alafair und versprach ihr, mit ihr später am Abend noch ein Eis essen zu gehen, und das Krabbenessen in Cypremort Point könnten wir dann morgen abend nachholen. Ich saß am Tresen und aß panierte Schweinekoteletts mit roten Bohnen und Reis und trank Kaffee, bis mehr als eine Stunde vergangen war. Dann fuhr ich wieder zurück zu der anderen Kneipe.
Es regnete jetzt nicht mehr, und die Luft war kühl und klar, der Himmel dunkel bis auf einen erleuchteten Streifen purpurner Wolken tief am Horizont im Westen. Ich fuhr über den Parkplatz zur Rückseite des Gebäudes. Die flachgedrückten Bierdosen und nassen Muschelreste knirschten unter meinen Reifen, und durch den großen Ventilator hindurch, der in der rückwärtigen Wand surrte, hörte ich die Zydeco-Band in voller Fahrt:
»Mo mange bien, mo bois bon vin,
Ça pas coute moi à rien.
Ma fille aime gumbo filé,
Mo l’aime fille aussi.«
Ich parkte neben einem der Wohnwagen und ging das Holztreppchen hinauf. Weiter hinten stand unter einem einzelnen ausladenden Eichenbaum der Pickup, den ich früher am Abend gesehen hatte: Jetzt saß nur noch ein Mann in der Fahrerkabine. Der Wohnwagen war aus Blech und dick mit grüner Farbe gestrichen. Die Vorhänge in den Fenstern waren zugezogen, aber drinnen brannte Licht. Die Innentür war geschlossen, die Fliegentür war verriegelt. Ich pochte mit den Knöcheln gegen die Gaze und blickte über die Schulter zurück zu dem Mann im Truck. Er sah weg.
»Sheriff’s Department«, sagte ich und klopfte erneut.
Ich erhielt keine Antwort, hörte aber, wie sich drinnen etwas regte.
»Aufmachen«, sagte ich.
Immer noch keine Antwort. Ich packte die Klinke der Fliegentür und riß mit einem Ruck den Riegel aus dem Türrahmen. Dann öffnete ich die zweite Tür, die nicht verschlossen war, und trat in den Wohnwagen.
Der moschusartige, schwere Geruch von Marihuana schlug mir ins Gesicht wie ein Fausthieb. Die Frau, die ich vorher an der Wohnwagentür gesehen hatte, lag in rosa BH und Slip auf einem schmalen Bett, den Kopf auf ein Kissen gestützt, einen Arm bequem hinter den Kopf gelegt. Mit der freien Hand hielt sie einen Joint über einen Aschenbecher auf einem kleinen Nachttischchen. Sie nahm den Joint an die Lippen, sah mir voll ins Gesicht und tat einen langen, tiefen Zug, der das Zigarettenpapier vorne am Ende des Joints zusammenzog, bis die glimmende Asche in der Finsternis des Wohnwagens wie ein rotglühender Kohlenscheit aufleuchtete.
Aber der dunkelhäutige Mann in Jeans und Arbeitsstiefeln, Strohhut gegen den Oberschenkel gepreßt, Gürtelschnalle offen über dem Hosenschlitz baumelnd, war offensichtlich zu Tode erschrocken. Seine Augen starrten wie gebannt auf die Polizeimarke in meiner Hand.
»Das ist keine Razzia, Partner. Ganz ruhig«, sagte ich.
Er starrte mich weiter mit aufgerissenen Augen an. Seine Hände waren klobig und schwielig, die Fingernägel hatten einen Schmutzrand.
»Sprechen Sie Englisch?« sagte ich. Dann zu der Frau: »Versteht Ihr Freund Englisch?«
»Man macht es auf mexikanisch genauso wie auf englisch, Schätzchen«, sagte sie.
»Zeit für deinen Abgang, Partner«, sagte ich.
Aber er verstand mich nicht. Ich klappte die Polizeimarke zu und steckte sie in die Hosentasche.
»Sie können jetzt gehen. Sie werden hier nicht benötigt. Es gibt kein Problem. No problema. Ihr Freund wartet auf Sie«, sagte ich.
Ich nahm ihn sacht beim Arm und öffnete ihm die Tür.
»Adiós«, sagte ich.
Dieses Mal begriff er, was man ihm da anbot, und er verschwand wie der Blitz in der Dunkelheit. Ich schloß die Tür.
»Sie bringt wohl nichts so leicht aus der Ruhe«, sagte ich.
Sie nahm einen langsamen, ausgedehnten Zug von dem Joint, nicht so heftig diesmal, und ließ den Rauch aus dem Mund
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