Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Wellen bemerkbar zu machen. Dann sah er mich und drehte den Motor mit dem Handruder, so daß das Boot einen weiten Bogen beschrieb und die Wellen am Heck hatte, als es sich mir näherte. Es war ein Anglerboot, wie man es zum Barschfischen benutzt, lang, flach, aus Aluminium. Ein Boot zum Angeln in Binnengewässern, kaum geeignet, hohem Seegang oder einem Sturm standzuhalten oder weit aufs Wasser hinauszufahren. Der Mann, der hinten schräg am Heck saß, in der Hand den Gashebel des Evinrude-Außenbordmotors, trug Armeehosen, einen LSU-Sweater in Gold und Lila, mit Mike dem Tiger auf der Brust, und einen hellblauen Porkpie-Hut, den er sich rabiat tief in die Stirn seinen großen Kopfes gezogen hatte.
Er würgte den Motor ab, ließ sich an mich herantreiben, faßte dann hinunter und packte mich am Rücken der Schwimmweste. Sein Gesicht war rund und gerötet von der Sonne und dem scharfen Wind und der Anstrengung, mich hochzuheben.
»Wie steht’s, Streak?« sagte Cletus.
Ich lag am Boden seines Bootes, meine Haut war taub und gefühllos und durch den langen Aufenthalt im Wasser völlig verrunzelt. Ich konnte die Küste sehen, die Brandung, die über eine Sandbank schwappte, und weiße Kraniche, die aus einem Zypressensumpf aufstiegen.
Hiermit bist du hinter mir her? wollte ich sagen. Aber ich war so ausgekühlt, daß es mir den Atem verschlug und ich die Worte nicht herausbrachte.
»Wie gefällt dir der Dienst bei der DEA?« rief er über das Aufbrüllen des Motors. »Die Herzchen haben’s wirklich drauf, sich um einen zu kümmern, stimmt’s? Oh ja, die lassen ihre Leute nicht verkommen.«
9. Kapitel
Durch die Fenster meines Krankenhauszimmers konnte ich die Wipfel von Eichen sehen, ein pinkgestrichenes zweistöckiges Haus mit eisernen Ziergittern auf der anderen Straßenseite, Palmwedel unten auf der Esplanade, und an der Stelle, wo die Nebenstraße in die St. Charles Street mündete, wann immer sie vorbeikam, die große, grüne, alte Straßenbahn. Mein Zimmer war ganz in weiß, und über den Eichen draußen schien hell die Sonne.
Das Pflaster auf der Naht in meiner Augenbraue ließ mich etwas schief aus dem rechten Auge blicken. Meine Lippe hatten sie mit vier Stichen genäht, und die Nahtstelle fühlte sich an wie ein großes Insekt aus Plastik, wenn ich mit der Zunge darüberfuhr. Ich hatte den Großteil des Vormittags hindurch geschlafen, und um zwölf aß ich ein Mittagessen, bestehend aus Kartoffelbrei, Backhähnchen, Erbsen und Götterspeise, woraufhin ich prompt wieder einschlief. Zwei Stunden später weckte mich das Klingeln des Telefons. Es war Minos Dautrieve.
»Was ist da draußen vorgefallen?« sagte er.
Ich erzählte es ihm.
»Woher wußten Sie, in welchem Krankenhaus ich liege?« fragte ich.
»Ihr Kumpel Clete hat mich angerufen. Hören Sie, Dave, es tut mir leid. Wirklich. Undercoverarbeit ist immer riskant, aber für gewöhnlich stellen wir uns geschickter dabei an, wenn es darum geht, unsere eigenen Leute zu schützen.«
»Wie kam das Sittendezernat des NOPD überhaupt da rein?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe mit diesem Nate Baxter geredet. Ein ekliger Bursche, finden Sie nicht?«
»Allerdings.«
»Er hat gemauert, sagte, er könne ohne Rücksprache mit seinen Vorgesetzten nicht mit mir reden, wüßte eigentlich gar nicht, wer ich bin.«
»Haben Sie meinen Namen erwähnt?«
»Selbstverständlich nicht.«
»Erzählen Sie ihm auf gar keinen Fall irgend etwas von unserer Aktion. Er erzählt es sonst brühwarm weiter oder versucht irgendwie, für sich selbst einen Nutzen daraus zu ziehen. Wenden Sie sich in der Zwischenzeit lieber an seine Vorgesetzten.«
»Bereits geschehen. Aber ich finde es schön, daß Sie mir sagen, wie ich meinen Job erledigen soll.«
»Sie hören sich heute nachmittag etwas verärgert an.«
»Daß Sie was auf den Schädel gekriegt haben und Ihr Boot über den Jordan ging, war nicht das einzige, was da draußen schiefgegangen ist.«
»Moment mal. Sie haben Boggs doch erwischt, oder?«
»Nein.«
»Was?«
»Boggs ist entkommen. Mit fünfzig Kilo reinem Kokain.«
»Ich fasse es nicht.«
»Wie es scheint, ist er zwischen zwei Sandbänken durch, und die andern sind voll auf eine draufgefahren. Das sagt jedenfalls die Küstenwache. Unser Freund Baxter sagt gar nichts.«
»Aber das Fischerboot haben Sie doch erwischt?«
»Das Fischerboot haben wir erwischt. Aber an Bord war kein Kokain. Und auch kein Geld. Sie haben es bis auf den letzten Heller über Bord
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