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Flamingos im Schnee

Flamingos im Schnee

Titel: Flamingos im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Wunder
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vom Hotel steht hinten drauf.«
    »Was zum Teufel ist ein Whoopiekuchen?«, wollte Cam wissen. »Das Ganze ist doch ein Witz.«
    »Nein, Campbell«, sagte Tom und wurde plötzlich geradezu feierlich ernst. Seine normalerweise nach oben gebogenen Mundwinkel senkten sich zu einem geraden Strich. »Das ist kein Witz. Wenn du die Stadt findest – was den meisten Menschen nicht gelingt –, können wundersame Dinge passieren. Erstaunliche Dinge, zum Beispiel, dass es winzige Fische vom Himmel regnet oder Krankheiten spontan geheilt werden – wofür du eine Kandidatin wärst, sag ich mal, junge Dame. Hier, bitte.« Er überreichte ihr die zerknitterte Tüte.
    »Danke«, sagte Cam.
    Vom Himmel regnende Fische erinnerten sie an das Buch Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen , das ihr Dad ihr mal vorgelesen hatte. Es war eine Geschichte über eine verwunschene Stadt, in der das Essen jeden Tag zu jeder Mahlzeit einfach vom Himmel fiel und die Leute es mit ihren Tellern auffingen. Dann aber geriet der Segen außer Kontrolle, und die Bewohner mussten mit Booten aus riesigen Toastscheiben in die Wirklichkeit reisen.
    »Gibt’s dort Segelboote aus Riesentoast?«, fragte Cam.
    »Was?«, fragte Tom.
    »Schon gut.«
    »Dann mal los mit euch, und vergesst nicht, mir eine Ansichtskarte zu schreiben«, sagte Tom.
    Cam blickte auf die Wegskizze, die mit der unsteten, zuckenden Hand eines Drogensüchtigen auf Entzug gezeichnet worden war. Sie schluckte die Tränen hinunter, bevor sie sich in ihren Augenwinkeln ansammelten. Es war so erbärmlich, dass sie diesen verzweifelten Versuch unternahmen. Halb wünschte sie, sie könnte es sich einfach in der Geborgenheit ihres Zimmers mit den dünnen Wänden gemütlich machen, eingemummelt in ihre Daunendecke, und sich von ihrer Mutter Hühnerbrühe bringen lassen, bis es vorbei war. Doch als sie ihre Mutter und Perry ansah, die sie mit erwartungsvollen Augen von der Tür her anstarrten und schon halb auf ihrer Abenteuerreise waren, begriff sie, dass es hier nicht nur um sie ging.
    »Fahren wir, ihr Zicken«, sagte sie spaßend und hielt die Knittertüte hoch.
    Alicia schnappte sie sich, woraufhin Cam sang: »Auf nach Maine, fallala!«
    »Wer ist Fallala, und was will sie in Maine?«, fragte Perry, als sie den tückischen Weg durch die Mangroven zum Auto zurückgingen.

S ECHS
    »Wir können selber lesen, Perry, du musst uns nicht alles vorlesen«, sagte Cam.
    Perry war schon ganz scharf auf die erste Rastplatzattraktion ihres Lebens – eine freundliche Umschreibung für eine Touristenfalle. Sie fuhren seit sechs Stunden und wurden langsam ein bisschen plemplem. Alicia wählte immer wieder wie besessen die Nummer dieses Geisterhotels in Promise, Maine, in dem nie jemand ranging, und Perry konnte nicht damit aufhören, Reklameschilder laut zu lesen. Die Anzeigentafeln für die Hotel- und Erlebnisparkkette South of the Border waren schon in Georgia aufgetaucht, etwa alle zehn Meilen, doch jetzt, auf halbem Weg durch South Carolina, kamen sie gefühlt alle zehn Meter. Cams Lieblingsschild lautete: S OUTH OF THE B ORDER: H IER GEHT’S UM DIE W URST, und darunter hing ein fünf Meter langer, dreidimensionaler Hot Dog in Form eines Lächelns.
    Sie war geradezu dankbar für die Reklametafeln, denn so konnte man noch auf etwas anderes gucken als auf die trostlose Landschaft des schönen Amerika. Schönheit schien den Menschen nicht mehr wichtig zu sein. Nach dem zu urteilen, was man von der Interstate 95 sah, war aus Amerika eine Ansammlung von Krebsgeschwülsten aus billigen Einfamilienhäusern geworden, die sich unkontrolliert vermehrten. Sie schossen auf leeren, baumlosen Sojabohnenfeldern aus dem Boden und wurden anschließend durch Einkaufsstraßen und Megamärkte und noch mehr Einkaufsstraßen miteinander verbunden. Die Leute brauchten eben einen Ort, wo sie das ganze Zeug, das sie kauften, ansammeln konnten. Vor jedem Haus gab es eine Schaukel und einen grünen Rasen, der mit Plastikspielzeug vollgemüllt war. Man baute noch nicht einmal mehr Zäune, um die Plastikspielzeugsucht vor anderen zu verbergen. Man stellte seinen Plastikkonsum schamlos zur Schau.
    Kein Wunder, dass die Eisbären absoffen.
    Sie näherten sich ihrem Ziel. Cam sah schon die Lichter des Sombreroturms, der hoch über den Kiefern blinkte wie ein UFO . Als sie um die nächste Kurve bogen und Alicia Cumulus zwischen den Beinen eines riesigen neonbeleuchteten Pedro hindurchfuhr, des rassistischen Mexikanermaskottchens von

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