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Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgid Hanke
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nochmals auf der Türschwelle ihres alten Zimmers um.
    »Ach, Sophielein, wir sehen uns doch nächstes Jahr bestimmt wieder. Du weißt doch, dass Großmutter ganz fest versprochen hat, den nächsten Sommer wieder auf Sophienhof zu verbringen und uns alle einzuladen. Dann wird alles so wie früher«, versprach ihr und sich selbst ihre Schwester Charlotte.
    Das für den Morgen nach dem Fest von allen ängstlich erwartete Donnerwetter war überraschenderweise ausgeblieben. Lag es am Prinzen Louis Ferdinand?

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    Teil III
    17
    N och niemals in ihrem Leben war Eleonora so schnell und so lange gerannt. Und dann noch barfuß. Das bemerkte sie aber erst, als ihre Füße empfindlich kalt wurden und zu schmerzen begannen. Keuchend blieb sie stehen und schaute verwirrt um sich. Wo war sie? Irgendwo am Stadtrand von Berlin, aber wo genau? Sie hatte keine Ahnung. Von einem Kirchturm in der Nähe hörte sie Glocken schlagen und zählte im Geiste mit. »Fünf Uhr«, murmelte sie. »Zeit für den five o’clock tea.« Um diese Zeit hatte Babette im Souterrain des Prewitzschen Stadtpalais immer das Tablett für Gräfin Dorothea fertig gemacht. Das Teewasser aufgekocht, es siedend in eine schon heiß ausgespülte Kanne gegossen, in der ein feines Haarsieb mit sachte duftenden Blättern des Darjeelings hing. Ein Schälchen weißen oder braunen Kandis, ein winziges Kännchen flüssige Sahne, ein Tellerchen für das Teesieb, denn die Gräfin bestand darauf, selbst zu bestimmen, wann es aus der Kanne genommen wurde. Aber länger als fünf Minuten durften die Teeblätter niemals ziehen. Früher hatte stets eine der Zofen wartend neben Babette gestanden, um das Tablett zu nehmen und eilig in den Salon der Gräfin zu tragen. Mittlerweile harrte sie jedoch jeden Nachmittag an der Klappe des Speiseaufzugs im zweiten Stock des Prewitzschen Stadtpalais, um die Sendung aus dem Souterrain dort in Empfang zu nehmen und den Tee der Gräfin zu servieren. Wenn diese nicht ausdrücklich Eleonora darum bat.
    Eleonora hatte diese stillen Stunden mit ihrer Gönnerin geliebt. Was hatte sie alles im Verlauf der Jahre mit ihr beredet, diskutiert, manchmal fast mit ihr gestritten. Wie viel hatte sie von ihr gelernt, aber was hatte ihr Gräfin Dorothea umgekehrt alles anvertraut, höchst persönliche Dinge, über die sie niemals mit ihren Angehörigen gesprochen hätte. Mit ihrem Gatten und Sohn nicht, weil man dergleichen nicht mit Männern besprach, mit ihrer Schwiegertochter Elisabeth nicht, weil sie diese nun einmal nicht leiden konnte, mit ihren beiden Enkelinnen nicht, weil diese seit Jahr und Tag nicht mehr in Berlin weilten und ihr ein bisschen zu mitteilsam waren. Mit zunehmendem Alter stand Gräfin Dorothea ihren eigenen Familienangehörigen immer kritischer gegenüber. Ihre Zunge wurde spitzer und ward umso mehr gefürchtet. So blieb eigentlich nur Eleonora, ihr Schützling, ihre »Wahltochter«, wie sie sie in ihren raren Momenten einer weicheren Stimmung nannte.
    Vielleicht noch der alte Jean?
    Aber der war im vergangenen Jahr gestorben. Bei einem Gang über den Hof war er auf einer vereisten Stelle ausgerutscht und zu Fall gekommen. Der inzwischen offiziell zum Kutscher avancierte Anton hatte ihn gefunden und den vor Schmerz Stöhnenden zurück ins Haus getragen. Höchstpersönlich hatte Gräfin Dorothea Jeans Unterbringung in einem der großen, mittlerweile so selten genutzten Gästezimmer des Seitenflügels angeordnet und Babette zusammen mit Madame Hortense mit seiner Pflege betraut. Ja, sie hatte sogar einen Diener nach Dr. Hufeland schicken lassen, der jedoch mit der Nachricht zurückkehrte, dass dieser unabkömmlich sei. Der Arzt hatte sich um die Königin zu kümmern, die nicht über den Tod des kleinen Prinzen Ferdinand hinwegkam, den sie nur vier Monate nach seiner Geburt schon wieder verlieren musste. Nach dem Schock des Unfalls war diese traurige Nachricht ein weiterer für die Gräfin. Dem armen Jean konnte nicht mehr geholfen werden. Drei Tage nach dem verhängnisvollen Sturz verstarb er an einer Embolie. Gräfin Dorothea ließ ihn mit allen Ehren bestatten.
    Sie trauerte tief um ihren alten Diener. »Mit ihm ist das letzte Stück meiner unvergesslichen Jugend dahingegangen«, sagte sie traurig. Tagelang zog sie sich auf ihr Zimmer zurück, gewährte außer Babette und Eleonora niemandem Zutritt, lag mit zugezogenen Vorhängen in ihrem großen Himmelbett und hing ihren Erinnerungen nach.
    Schließlich war es ihr Mann Ludovic, der

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