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Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgid Hanke
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zu!« Ganz formlos hatte er sie geduzt und dabei noch nicht einmal ihren Namen vollständig ausgesprochen.
    Diesmal spielte er ohne Orchesterbegleitung, was den musikalischen Genuss nicht beeinträchtigte. Eleonora wurde erneut fortgetragen, weit, weit weg in ein fernes Land der Phantasie, der Vergangenheit, der Leidenschaft und des Schmerzes, der Liebe und der Lust, der Angst und der Bedrohung und endlich der Befreiung. Die harmonischen Akkorde zum Schluss wirkten wie eine Erlösung. Erleichtert atmete sie auf, als der Prinz geendet hatte. Sekundenlang verharrte er still, unbeweglich in sich ruhend. Dann aber sprang er auf und zog sie einfach mit sich an den Rand der kleinen Bühne. Das geschah alles so schnell, dass die Gäste noch gar nicht zum Klatschen gekommen waren. Jetzt aber warteten sie gespannt, was da noch kommen möge.
    »Meine Damen und Herren, liebe Freunde, verehrte Gräfin Dorothea, Erlaucht von Prewitz zu Kirchhagen, Sie hörten soeben als Klavierauszug einen Teil der sogenannten ›Leonorenouvertüre‹, Opus 72 a, die Ludwig van Beethoven seiner Oper
Fidelio
vorangestellt hat. Ich hatte die große Ehre, einmal mit dem Meister persönlich über sein Werk reden zu dürfen. Für dieses Drama um Liebe, Gefangenschaft und Befreiung könnte ich mir keine bessere Darstellerin und Sängerin vorstellen als Eleonora Prohaska, die uns von ihrem Können heute so hinreißend überzeugt hat. Es lebe unsere Sängerin, es lebe Ludwig van Beethoven, es lebe die Liebe, die Freiheit und unser geliebtes Preußen, das endlich seine Ketten sprengen muss.«
    Nach diesen Worten herrschte beklommene Stille im Saal. Plötzliche Befangenheit machte sich unter den Sitzenden breit. War es gänzlich ausgeschlossen, dass sich unter den Anwesenden nicht doch ein napoleonischer Spitzel befand? Die eben noch der Bühne zugewandten Gesichter senkten sich betreten. Drohte ein Eklat?
    Prinz Louis Ferdinand war berühmt für seine Skandale, hatte sogar zeitweise Hausverbot bei seinem königlichen Cousin gehabt, weil er dessen junger Schwägerin zu unverblümt seine Avancen machte. Und dann diese Liaison mit Pauline Wiesel und die drei illegitimen Kinder von drei anderen Geliebten.
    »Bravo!«, rief Gräfin Dorothea. »Es lebe unser geliebtes, hoffentlich bald befreites Preußen.« Der Prinz strahlte und warf ihr von der Bühne aus eine Kusshand zu. Erst jetzt traute sich das restliche Publikum, dem königlichen Künstler den redlich verdienten Beifall zu zollen.
    »Wir haben gefallen, Leonora«, flüsterte ihr Louis Ferdinand ins Ohr.
    »Sie haben gefallen, Königliche Hoheit«, flüsterte Eleonora lächelnd zurück.
    »O nein, meine Liebe, es war eigentlich Ihr Abend«, widersprach Louis Ferdinand überzeugt. »Was wir jetzt hören, ist der Ausdruck des sehnlichen Wunsches nach Freiheit.«
    Jetzt setzten auch noch Hochrufe ein. Hochrufe auf den Prinzen, Hochrufe auf Eleonora oder Leonore? Das vermochte die auf der Bühne stehende junge Sängerin im allgemeinen Aufruhr gar nicht richtig auszumachen.
    Schließlich erhob sich Gräfin Dorothea. Mit einem kurzen gebieterischen Wink bot sie dem tobenden Lärm Einhalt.
    »Liebe Freunde, ich denke, nunmehr haben wir den beteiligten Künstlern dieses Abends genügend Beifall und Anerkennung gezollt und benötigen alle ein bisschen Stärkung und Erfrischung. Ich darf Sie daher nochmals in den Speisesaal bitten.«

    Die dienstbaren Geister des Hauses Prewitz mussten einmal wieder gezaubert haben. Die lange Tafel mit den vielen Stühlen war verschwunden, stattdessen war im Speisesaal des Prewitzschen Stadtpalais ein farbenprächtiges Büfett aufgebaut, das unter seinen Köstlichkeiten fast zusammenzubrechen drohte. Die Flügeltür zum benachbarten Saal stand offen. Aus einer seiner Ecken erklangen beschwingte Weisen. Wie schnell waren die Musiker des Orchesters dort hingekommen?
    Gräfin Dorothea stand in der Mitte des Raums. Auf ihre beiden Enkelinnen gestützt, beobachtete sie aufmerksam das Geschehen, ehe sie sich zu ihrer geliebten Récamiere, die man zu ihrer Bequemlichkeit vor dem Kamin zurechtgerückt hatte, führen ließ. Elegant nahm sie Platz, drapierte die Falten ihres Kleides malerisch um sich herum und klatschte in die Hände.
    Im Nu war das Geraune, Gläserklirren und Scharren der Füße auf dem Parkett verstummt.
    »Lasst es euch gutgehen, liebe Freunde«, forderte sie die Anwesenden auf. »Wenn ihr euch gestärkt habt, habe ich euch ein bisschen Zerstreuung zu bieten. Die Jugend

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