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Flamme der Freiheit

Flamme der Freiheit

Titel: Flamme der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgid Hanke
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wagte einen anzüglichen Seitenblick, sondern man akzeptierte ihre Anwesenheit mit natürlicher Gelassenheit. Die Einzige, die sich Gedanken machte, war Eleonora selbst. Aber dennoch fügte sie sich wieder reibungslos in den Ablauf dieses Haushalts ein.
    Schließlich kam der gefürchtete Tag von Alexanders Abreise. Mit einem heftigen Gewitter hatte sich der Sommer verabschiedet. Es schien ein früher Herbst zu werden. Eleonora und Alexander hatten am Abend zuvor noch einmal zusammen gespeist. Zur Feier des Tages hatte er eine uralte Flasche Rotwein spendiert. Höchstpersönlich dekantierte er sie, nahm einen Probeschluck, ehe er Eleonora einschenkte.
    »Ein Italiener«, erklärte Alexander und prostete ihr lächelnd zu. »Wenn ich mich nicht irre, hat ihn sogar Farini einmal von einer Italienreise für meinen Großvater mitgebracht.«
    »Ach, Farini«, seufzte Eleonora. »Lang, lang ist es her.«
    »Aber unvergessen«, sagte Alexander. »Lass uns anstoßen und trinken in memoriam unserer lieben Verstorbenen.« Ausnahmsweise erlaubte er sich an diesem Abend ein bisschen Sentimentalität. So bat er sie später noch, für ihn zu singen. Ja, er versuchte tatsächlich sie auf dem Flügel zu begleiten. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie zueinanderfanden. Zum Schluss sangen sie sogar ein Duett aus
Orpheus und Eurydike.
Es klang längst nicht so gut wie einst bei der Sommerpremiere. Aber es klingt wahrhaftiger, dachte Eleonora, denn nun sind wir wirklich ein Paar.
    Wenn Alexanders Stimme auch nicht sehr voluminös war, konnte er doch überzeugend die Trauer und den Schmerz, den er über den Verlust seiner Geliebten empfand, in sie hineinlegen. Und Eleonora? Sie fühlte, dass ihre Stimme an Klang und Reife gewonnen hatte. Aber wie viel Übung ihr fehlte! Sie war traurig und bestürzt über ihre eigenen Patzer. Bemerkte Alexander sie gar nicht? Nein, an eine Bühnenkarriere war wirklich nicht mehr zu denken. Unwillkürlich stiegen ihr Tränen in die Augen.
    »Aber, Eleonora, ich ziehe doch nicht in die Schlacht, sondern begebe mich lediglich zu meinen Soldaten in Hannover«, tröstete Alexander sie bestürzt.
    Sie korrigierte seinen Irrtum nicht. Sollte er ruhig glauben, dass die bevorstehende Trennung ihr so zu schaffen machte. Diese schmerzte sie sehr wohl, aber noch viel mehr belastete sie die Ungewissheit ihrer eigenen Situation, ihrer Stellung im Hause und ihrer Zukunft. Aber erst nach einer leidenschaftlichen Umarmung, nachdem sie sich schwer atmend voneinander gelöst hatten, wagte sie endlich, ihn darauf ganz vorsichtig anzusprechen.
    »Du reist morgen ab«, sagte Eleonora leise.
    »Aber doch nicht für immer und ewig. Mindestens einmal im Monat gedenke ich doch nach Berlin zu kommen«, entgegnete er leichthin.
    »Und was wird mit mir?«, fragte Eleonora leise.
    »Du bleibst natürlich hier«, erwiderte Alexander, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.
    »Als was denn?«, fragte Eleonora verzweifelt. »Wer bin ich überhaupt? Was bedeute ich dir? Wie soll es mit uns weitergehen?« Zum ersten Mal wagte sie, diese Fragen so offen zu stellen. Sie erhielt keine Antworten, denn Alexander war schon eingeschlafen. Oder stellte er sich nur schlafend, weil er ihr nicht antworten wollte? Wie bereits häufiger stieg das kleine, schon leider vertraute Unbehagen in ihr empor. In dieser Nacht ließ es sich gewaltsam unterdrücken. Auch noch am nächsten Morgen, als sie sich von ihm verabschiedete, gelang es ihr, dieses Missbehagen beiseitezuschieben.
    »Leb wohl, Eleonora, wir sehen uns in spätestens einem Monat wieder«, verabschiedete Alexander sich ziemlich unverbindlich von ihr. Kein Kuss, keine Umarmung zum Schluss. Überhaupt war er, seit sie in Berlin weilten, wesentlich zurückhaltender ihr gegenüber geworden, bezeugte längst nicht mehr den Überschwang und die Herzlichkeit jener Tage vom Sophienhof. Das mochte daran liegen, dass er jetzt ein hoher General war und es ihm nicht geziemte, Gefühle in der Öffentlichkeit zu zeigen.
    Nach einem enttäuschend nüchternen Abschied begab sich Eleonora auf ihr ehemaliges Zimmer. Auf ihrem Kopfkissen entdeckte sie die Partitur von
Fidelio.
Sie zuckte zusammen. Wer mochte die Noten ausgerechnet heute dahin gelegt haben? War es ein böser Scherz? Wollte man sie verletzen? Wer hatte ein Interesse daran? Vom jetzigen Personal hatte niemand sie noch persönlich bei den Prewitzens erlebt. Oder vielleicht doch? Katharina, die mürrische Köchin? Sie war doch unmittelbar

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