Flamme von Jamaika
gelohnt hat.»
In Wahrheit lief schon jetzt alles nach Plan. Wie Desdemona vorhergesagt hatte, überbrachte Jess ihr den Auftrag, die Versorgung der Blake-Schlampe, wie sie die weiße Geisel still für sich nannte, zu übernehmen. Ohne sich ihren Groll anmerken zu lassen, klopfte sie ihrem Sohn auf die breite Schulter und mahnte ihn nochmals zur Vorsicht, als er die Höhle verließ, die sie normalerweise mit mehreren Frauen bewohnte.
Irgendwie wirkte Jess verändert, seit er die meiste Zeit mit dieser Weißen verbracht hatte. Er war auf seltsame Weise abwesend und schien an nichts anderes mehr denken zu können als an diese Frau. Er hatte sich in sie verliebt. Eine Mutter spürte so etwas, selbst wenn ihr Sohn ein Krieger war, der seine wahren Gefühle hinter einer überlegenen Miene verbarg.
Baba lauerte hinter ihrer Hütte, bis Jess und seine Männer auf ihren Mulis im Dickicht des Waldes verschwunden waren. Erst danach wagte sie es, ihre Behausung zu verlassen und zu Desdemonas Hütte zu schleichen. Niemand sollte später wissen, dass sie dort gewesen war. Der Mond schien hell genug, um die kleine Hütte der Obeah-Zauberin am Rande des Waldes ohne Fackel zu finden.
Als Baba sachte an die hölzerne Tür klopfen wollte, öffnete diese sich bereits. Offenbar war die uralte Frau ihr immer einen Schritt voraus. Desdemona trug das traditionelle bunte Gewand einer Zauberin, das ihr bis hinab zu ihren nackten Fesseln reichte. Ihre blinden Augen flackerten im Schein eines schwachen Öllichtes, das sie Baba entgegenhielt.
«Komm rein», sagte sie mit krächzender Stimme. «Ich habe dich erwartet.»
Baba schaute sich noch einmal um, ob sie auch niemand gesehen hatte, bevor sie die Hütte betrat und die Türe fest hinter sich zuzog. Ihr Atem ging schneller, als sie Desdemona in den hinteren Teil des Raumes folgte, wo die Regale mit den Tontöpfen und Kästchen standen, die auch den verhexten Skorpion beherbergten, den sie für ihre Vorhersagen benötigte. Wortlos bot Desdemona ihr einen Platz auf einem Hocker an. Bevor sie der Aufforderung nachkam, strich Baba sich nervös ihren alten, graublauen Kittel glatt. Im Schein des Lichtes hatte Desdemona bereits mehrere Flaschen und Pulversäckchen auf einem kleinen Tisch zu einem bunten Reigen vereint. Daneben standen eine Schale und ein Mörser.
«Was du vorhast, birgt gewisse Unwägbarkeiten», bemerkte die alte Zauberin heiser und begann mit der ihr eigenen Bedachtsamkeit die Korken aus den Tiegeln und Töpfen zu entfernen.
Dann zückte sie einen silbernen Löffel und nahm von jedem etwas, um es in dem Mörser zu vereinen. Obwohl sie blind war, schaute sie auf und fixierte Baba mit ihren unheimlichen, weißen Pupillen.
«Einen Menschen in eine willenlose Marionette zu verwandeln, ist nicht ungefährlich. Ich hoffe, du bist dir dessen bewusst?»
Baba nickte betreten.
«Wir haben doch alles besprochen. Du weißt, dass die Frau unsere Gesichter kennt. Sie hat das Lager von außen gesehen. Deshalb besteht die Gefahr, dass sie uns alle verrät. Wenn Jess denkt, dass er ihr vertrauen kann, beweist das nur, wie sehr sie seinen Verstand verhext hat. Es muss also sein, koste es, was es wolle», erwiderte sie ernst und hob mit sorgenumwölkter Miene zu einer weiteren Erklärung an. «Jess hat sich in diese weiße Hure verliebt», flüsterte sie, wobei ihre Stimme einen verbitterten Ausdruck annahm. «Er denkt, sie habe begriffen, was die Weißen uns antun, aber ich glaube das nicht. Sie ist eine reinrassige Bakra. Eine falsche, weiße Schlange. Giftig dazu. Ein Biss, und sie hat meinen armen Jungen in ihre Abhängigkeit gebracht. Schon alleine aus diesem Grund müssen wir sie mundtot machen.»
Baba schluckte verkrampft. Bevor sie fortfuhr, leckte sie sich über die ausgetrockneten Lippen.
«Jess muss glauben, dass sie mit Haut und Haaren zu ihrem Mann zurückgekehrt ist und an dessen Seite entgegen ihren Beteuerungen ihr Glück gefunden hat. Erst wenn er begreift, dass sie seine Gefühle nicht erwidert und ihn belogen hat, wird er frei sein für eine neue Liebe. Solange das Herz meines Sohnes von der üblen Hexerei dieser Weißen besetzt ist, hat er keine Augen für Selina.»
Babas Gesicht verriet ihre ganze Abscheu über die Vorkommnisse der vergangenen Tage und Wochen.
«Das ist nicht so einfach, wie du es dir vorstellst», mahnte Desdemona. «Wir werden die Ahnen hinzubitten müssen», gab sie mit gewichtiger Stimme zu bedenken. «Und du weißt, im Reich der Toten gibt
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