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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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stotterte er und verbeugte sich rasch. «Ich wusste ja nicht … ich dachte ja nicht …»
    «Was dachtest du nicht?», herrschte Lena ihn an. Obwohl sie wusste, dass dem Jungen keine andere Wahl geblieben war, hatte sie ihn als Edwards Spion nicht eben ins Herz geschlossen.
    «Ich … ich dachte nicht, dass Sie schon wieder … gesund wären, denn Master Edward hat allen erzählt, dass er Sie in ein Hospital bringen musste, weil Sie nach der zweiten Entführung einen schlimmen Rückfall gehabt hätten. Und er sagte, dass dieser Moses mit Candy Jones unter einer Decke gesteckt hat.»
    «Glaub nicht alles, was man dir erzählt», riet Lena dem Jungen und übergab ihm die Zügel der Kutschpferde. «Candy Jones war unschuldig, ebenso wie Moses. Er ist ein frommer Mann, der mir nur helfen wollte. Er hat nichts mit den Rebellen zu tun», log sie den Jungen an. «Und wenn kein Wunder geschieht, werden sie ihn in Montego Bay hängen.»
    Der Junge riss Augen und Mund auf. Er war sichtlich schockiert.
    «Das ist alles meine Schuld», flüsterte er niedergeschlagen.
    «Wieso bist du überhaupt zu Moses gegangen?», fragte Lena.
    Tom zögerte einen Moment, als ob er ihr etwas verschweigen wollte.
    «Los, raus mit der Sprache», forderte Lena ihn unmissverständlich auf. «Ich denke, ich hab’s verdient, dass ich die Wahrheit erfahre. Master Edward werde ich nichts davon erzählen. Du kannst mir vertrauen.»
    «Ehrlich?» Seine großen, unschuldigen Brombeeraugen rührten sie.
    «Bei meiner Seele», versprach sie und legte sich die Hand aufs Herz.
    Stockend berichtete Tom, dass Master Edward sich unbotmäßig seiner Liebsten genähert hatte, wobei er nicht ins Detail ging. Aber allein die Tatsache, dass er Yolandas fünfzehnjährige Tochter Priscilla erwähnte, ließ Lena Böses erahnen. Sie hatte das Mädchen zwar noch nicht oft gesehen, aber dass ihre Mutter Edwards Mätresse war, wusste sie ja selbst.
    «Sag mir, was er mit ihr getan hat», befahl sie streng, um Gewissheit zu bekommen.
    «Er hat sie von hinten bestiegen», erzählte der Junge stockend. «Wie ein Hengst eine Stute. Er war viel zu groß für sie, und sie hat die ganze Zeit über geweint. Nicht laut, sondern leise. Und das war das Schlimmste. Seitdem redet sie nicht mehr mit mir und lässt mich nicht zu sich.» Seine Stimme war zum Ende hin schwächer geworden, und er kämpfte mit den Tränen.
    «Als ich hörte, dass Moses, von dem man munkelte, dass er sich für die Abschaffung der Sklaverei einsetzt, in Ochos Rios den Gottesdienst abhält, bin ich dorthin geritten. Ich wusste, dass er mein Leiden verstehen würde», sprach Tom weiter. «Den Rest der Geschichte kennen Sie ja.»
    Lena war für einen Moment sprachlos, unfähig, den Jungen zu trösten.
    «Der Master hat mir immer wieder die Freiheit versprochen», fügte er mit gesenktem Blick hinzu. «Zuletzt, als ich gegen Candy Jones aussagen sollte. Er hat mir die Worte dafür in den Mund gelegt und mir gesagt, er würde mir danach die Entlassungsurkunde ausstellen. Nichts hat er getan! Stattdessen vergreift er sich an meinem Mädchen.»
    Wut und Trauer lagen in Toms Blick. Und Lena lief es eiskalt den Rücken runter. Wie perfide konnte man sein, die Hoffnungen eines solchen Jungen auszunutzen, um das Leben von Candy Jones und auch das von Lady Elisabeth zu zerstören? Ganz zu schweigen von Maggie, deren Verschwinden bis zum heutigen Tage nicht aufgeklärt war.
    Edward, du verdammtes Schwein, dachte Lena und fasste einen Entschluss. Sobald sie Gelegenheit dazu erhielt, würde sie ihren eigenen Mann vor Gericht anprangern. Sie würde ihn der Schändung eines unschuldigen Kindes bezichtigen und für den Mord an Maggie anklagen.
    «Mach dir keine Sorgen», sagte sie, um nicht mit leeren Händen dazustehen. «Ich bin sicher, dass die Sklaverei schon bald ihr Ende finden wird.» Lena streichelte dem Jungen mitfühlend über den Kopf. «Bis dahin tust du bitte nichts, was Master Edward erzürnen könnte. Und auch unser kleines Gespräch sollte möglichst unter uns bleiben, verstanden?»
    «Ja, Mylady. Ich verspreche es. Sie sind eine gute Frau. Viel besser als Master Edward. Ein Mann wie Moses würde gut zu Ihnen passen, wenn er ein Weißer wäre.»
    Lena musste unwillkürlich schlucken und verabschiedete sich mit einem bittersüßen Lächeln. Nachdem sie sich endlich überwinden konnte, zum Haupthaus zu gehen, sah sie, dass die Tür zur Kapelle sperrangelweit aufstand und verschiedene Angestellte der Plantage

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