Flammen der Rache
Es war weit weniger schmerzhaft, sich stattdessen mit Ranieris appetitlichem Körper zu befassen und zu überlegen, wie sie Kontakt knüpfen konnte.
Ihr Problem war, dass sie nicht recht wusste, wie sie weiter vorgehen sollte, sobald sie seine Aufmerksamkeit errungen hätte. Abgesehen von dem Offensichtlichen.
Lily versuchte, gleichmäßig zu atmen. Sie musste nahe an ihn herankommen. Es gab dafür eine altbewährte Methode, allerdings bedeutete Sex nicht zwangsläufig Nähe.
Ranieri war weder verheiratet noch verlobt. Schlampe hin oder her, doch da zog sie die Grenze. Vermutlich könnte sie versuchen, eine Freundschaft zu ihm aufzubauen, doch wie stellte man so etwas an? Sie hatte nicht die Zeit, sich in seinem Fitnessstudio anzumelden, um an der Saftbar mit ihm ins Gespräch zu kommen oder ihm in einer Buchhandlung in die Arme zu laufen. Das alles wäre so vage, so zufallsbedingt. Es könnte Jahre dauern.
Aber sie hatte keine Jahre. Sie würde verrückt werden, wenn sie noch länger auf der Stelle treten müsste. Momentan jobbte sie schwarz als Kellnerin in einer Cocktailbar und hauste in einer schäbigen Jugendherberge im Zentrum. Sie schleppte ihren Laptop überall mit hin, weil sie keinen sicheren Ort hatte, wo sie ihn lassen konnte. Sie schaute ständig über ihre Schulter und hielt nach einem schwarzen Transporter Ausschau, denn früher oder später würden sie sie finden, in den Fond ihres Wagens zerren und umbringen. Es war nur eine Frage der Zeit.
Sie musste unbedingt herausfinden, was Bruno Ranieri wusste. Dafür musste sie sein Vertrauen gewinnen, und das schnell. Einen Mann zu verführen war ein simpler, stufenweiser Prozess, den zu bewältigen sie sich zutraute.
Sie würde ihre Tugend opfern – in Ermangelung eines besseren Wortes –, im Austausch für ihr Leben. Sie würde später Buße tun. Vorausgesetzt, es gab ein Später.
Dann sah sie seine Grübchen, seinen Hintern, seine Augen und roch seinen Duft. Sie führte diese provokative, intime Unterhaltung mit ihm und hatte tatsächlich Spaß dabei. Plötzlich konnte sie sich nicht mehr erinnern, was sie eigentlich erreichen wollte. Ihr ganzer Plan war auf den Kopf gestellt.
Lily beobachtete, wie Bruno einem Kunden an der Theke einen Kaffee einschenkte, und kratzte den letzten Rest Reispudding aus der Schüssel. Mann. Sie würde diese Sache auf die nächste Stufe befördern, obwohl sie sich gerade mal eine Viertelstunde mit ihm unterhalten hatte. Sie musste das Ganze lässig und spielerisch angehen, aber wie? Ihre Hände zitterten. Korrektur: Ihr ganzer Körper zitterte. Er würde es bemerken. Es war kaum zu übersehen.
Herrgott noch mal, der Mann war nicht beängstigend. Eigentlich wirkte er sogar ziemlich sympathisch. Wer hätte gedacht, dass seine Saubermannausstrahlung so erregend sein würde? Er war tatsächlich ihr Held. Und er konnte den besten Bananencremekuchen der Welt backen. Was für ein Traumtyp. Sie wollte ihn küssen, ihn mit der Zunge schmecken …
Komm wieder runter
. Lily legte die Hand so fest auf den Mund, dass ihre Zähne gegen die Innenseite ihrer Lippen drückten. Sie könnte natürlich warten. Aber worauf? Früher oder später würde sie sich über ihn ärgern und ihn mit ihrer Feindseligkeit verprellen. Das war ebenso unausweichlich wie der Frühling, der Tod oder die nächste Steuerzahlung. Man musste sich nur ihre Erfolgsbilanz bei Männern ansehen.
Bruno schaute zu ihr rüber. Die Grübchen in seinen Wangen vertieften sich. Ein heißes, atemloses Gefühl machte sich in ihrer Brust breit.
Das Schlimmste war, dass sie sich in diesen Mann verlieben könnte. Gott stehe ihr bei.
Er zeigte auf die Uhr und hielt fünf Finger hoch. Sie presste die Schenkel zusammen. Bestürzt stellte sie fest, dass sie schon jetzt feucht war. Ihr Hirn drehte sich in engen, unkontrollierten Spiralen um die eigene Achse. Der Rest von ihr ignorierte ihr Gehirn vollständig und konzentrierte sich ganz und gar auf Bruno Ranieri. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen.
Sie begehrte ihn um seiner selbst willen. Sie wollte dieses Gefühl auskosten, das er in ihr weckte. Diese Lebendigkeit. Diesen brennenden Hunger nach Leben. Diese Vitalität. Diese Hoffnung.
Niemand verlangt von dir, dass du mit dem Kerl schläfst
, erinnerte ihre innere Stimme sie schroff.
Zumindest nicht, solange du ihn nicht besser kennst. Er hat dir seine Hilfe angeboten, sogar seinen Schutz. Das ist süß von ihm. Du hast also mehrere Optionen
.
Halt die Klappe
, wies
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