Flammen des Himmels
hatte, konnte sie sich gleich um den Morgenbrei kümmern.
Unterdessen waren auch Faustus und Helm wach geworden. Während der Brei köchelte, machten sie sich ebenso zum Gehen fertig wie Lothar. Als Frauke ihnen das Frühstück hinstellte, verzog Helm das Gesicht.
»Das ist ja eine Portion für ein Kind, das von der Mutter den ersten Brei erhält! Wie soll da ein Mann seine Kraft behalten können?«
»Du hast selbst gehört, dass Silke uns nichts mehr bringen kann. Also müssen wir uns einschränken, denn unsere geheimen Vorräte will ich erst angreifen, wenn wirklich Not am Manne ist«, wies Frauke ihn zurecht.
»Das ist schon richtig! Dennoch ist es ein Hohn, wenn man weiß, dass Bockelson und seine Jünger gewiss nicht hungern müssen.« Helm würgte übelgelaunt den Brei hinab und verkniff es sich zu sagen, dass dieser auch schon einmal besser geschmeckt hätte. Doch Frauke konnte nur das in den Topf tun, was sie bekam. Und wir müssen es auslöffeln, dachte er in einem Anflug von Galgenhumor.
Er schob den leeren Napf zurück und sah Faustus auffordernd an. »Komm jetzt! Sonst wäscht uns der Hauptmann den Kopf und beordert uns an die gefährlichste Stelle.«
»Ich bin so weit!« Faustus stand auf, warf sich den Umhang über und stülpte den altertümlichen Helm auf den Kopf, den er im Zeughaus erhalten hatte. Nachdem sie sich ihre Kurzschwerter umgehängt hatten, verabschiedeten sie sich und verließen nach einem kurzen Gruß die Hütte.
Auch Lothar musste sich auf den Weg machen. Er umarmte Frauke kurz und kämpfte dabei gegen einen Anflug von Mutlosigkeit an. »Bei Gott, was würde ich dafür geben, wenn das hier ein Ende hätte und wir heil davongekommen wären.«
»Du fürchtest, dass der Inquisitor meine Familie und mich auf den Scheiterhaufen bringen könnte?«
»Ich habe meinem Vater deinen Namen und den anderer aufgezählt, die nur gezwungen zu den Wiedertäufern halten. Er hat Einfluss auf den Fürstbischof, und ich habe ihm mit meinen Berichten, so glaube ich, gut geholfen. Damit werden wir wohl ungeschoren davonkommen.« Eine andere Hoffnung, das war Lothar klar, gab es für sie nicht.
»Den Inquisitor fürchte ich mehr als den Teufel«, antwortete Frauke. »Ich bin ihm einmal entkommen und will nicht wieder in seine Gewalt geraten. Wenn mir dies droht, so bitte ich dich, mich vorher zu töten. Bisher habe ich es noch niemandem erzählt. Doch Gerwardsborns Foltermeister hat meine Mutter geschändet, und sie glaubt, das Kind wäre von diesem Mann.«
Bei dem Gedanken an die Mutter kamen Frauke die Tränen. Sie wischte sie jedoch resolut wieder ab und versetzte Lothar einen Klaps. »Geh jetzt, sonst schilt dich der Aufseher und verweigert dir das Stück Brot, das du für deine Arbeit erhältst. In unserer Lage aber ist jeder Bissen mehr wert als sein Gewicht in Gold.«
»Ich bin schon unterwegs!« Lothar schlüpfte in die Holzschuhe, warf sein Schultertuch um und ließ sich von Frauke das Kopftuch neu binden.
Frauke sah ihm nach, bis er hinter einer Biegung der Gasse verschwunden war. Dann wusch sie die Näpfe aus, füllte einen davon mit dem Rest des Morgenbreis und ging in die Kammer ihrer Mutter.
Dort war die Lampe ausgegangen, und da es kein Fenster gab, war es so dunkel wie in einer Höhle. Frauke stellte den Napf ab, holte einen Kienspan und tastete sich in dessen schwachem Licht zur Lampe vor. Als sie diese in die Hand nahm, sah sie, dass die Unschlittkerze nur zu etwas mehr als der Hälfte abgebrannt war.
Wahrscheinlich hat der Luftzug sie in der Nacht gelöscht, dachte Frauke und zündete den Docht an. Doch kaum erhellte das Licht der Kerze den Raum, stieß sie einen gellenden Schrei aus.
Vor ihr lag die Mutter in einem See aus Blut. Sie wirkte bizarr verrenkt und hielt das nicht abgenabelte Neugeborene im Arm. Auch das Kind regte sich nicht. Mit all ihrer Kraft rang Frauke ihr Entsetzen nieder und legte ihre Hand auf die Stirn der Mutter. Diese war bereits kalt, und das Neugeborene musste ebenfalls schon länger tot sein. Es dauerte einige Augenblicke, bis Frauke im vollen Umfang begriff, was hier geschehen war. Die Mutter hatte in der Nacht geboren und war dabei verblutet.
»Sie hätte uns doch rufen können!«, schluchzte sie verzweifelt und starrte auf das Neugeborene herab. Zuerst befürchtete sie, die Mutter hätte es nach der Geburt erwürgt. Doch diese hielt den kleinen Leichnam mit so leichtem Griff unter den Achseln, dass sie das Kleine aus der erstarrten Hand der
Weitere Kostenlose Bücher