Flammen des Himmels
schüttelte heftig den Kopf. »Noch sind wir nicht weit genug von Stillenbeck weg! Sollte dieser Satansdiener uns verfolgen lassen, wäre es besser, wenn wir noch ein Stück weitergingen. Obgleich ich mich dafür schäme! Haug ist uns in die Ewigkeit vorangegangen, und wir entziehen uns durch diese Flucht davor, gleich ihm Märtyrer unseres Glaubens zu werden.«
Frauke begriff ihre Mutter nicht mehr. Fast hatte sie das Gefühl, als sehne diese sich nach dem Tod auf dem Scheiterhaufen.
Bis jetzt hatte Silke geschwiegen, doch nun begann sie zu maulen. »Mir tun die Füße weh! Außerdem habe ich Hunger.«
»Ich habe eine Wurst und etwas Brot als Wegzehrung mitgenommen, dazu gibt es ein paar Schlucke Wein«, sagte Draas und reichte Silke eine Lederflasche.
Das Mädchen griff hastig danach, zog den Stöpsel und trank mit durstigen Zügen. Als sie die Flasche an ihre Mutter weiterreichte, war diese halb leer.
Inken Hinrichs beherrschte sich besser als ihre älteste Tochter, dennoch blieben für Frauke nur wenige Schlucke, denn sie wollte noch etwas für Draas übrig lassen.
Dieser nahm ihre Zweifel wahr und nickte ihr aufmunternd zu. »Trink ruhig aus! Ich kann mir die Flasche beim nächsten Wirt füllen lassen. Wurst und Brot könnt ihr drei euch teilen. Ich halte es schon noch eine Weile aus!«
»Du bist ein guter Mann, Draas«, sagte Frauke zu ihm.
»Lass es gut sein, Mädchen. Ich bin auch nicht besser als andere. Höchstens ein bisschen!« Der Stadtknecht lachte und wies nach Osten. »Es wird gleich hell, und wir können rascher ausschreiten. Das sollten wir auch tun, denn wir werden noch einige Meilen zurücklegen müssen, bevor wir vor dem Inquisitor in Sicherheit sind.«
»Gebe Gott, dass er uns nicht verfolgen lässt! Und wenn doch, mögen seine Leute uns nicht finden.« Frauke nickte bei diesen Worten, als wolle sie sich selbst bestätigen.
Da fiel ihr etwas auf. »Herr im Himmel! Draas, wenn sie uns fangen, bist du ebenfalls in Gefahr. Immerhin hast du uns zum Stadttor hinausgelassen, und deswegen werden sie dich ebenfalls für einen Ketzer halten.«
Bevor Draas etwas erwidern konnte, mischte sich die Mutter ein. »Nicht wir sind die Ketzer, sondern die anderen, die dem Popanz in Rom den Hintern küssen! Doch ich sage euch, das Verhängnis wird sie alle ereilen. Der jüngste aller Tage ist nah, und dann wird unser Herr Jesus Christus kommen und alle, die uns Übles getan haben, verwerfen, während er uns selbst an seine Tafel führt, an der wir mit unseren lieben Märtyrern vereint sein werden. Dort werden wir auch Haug wieder an unsere Brust drücken können.«
Inken Hinrichs klang so überzeugt, dass Frauke fast zu hoffen wagte, dass es so kam. Es durfte gar nicht anders sein, denn sonst wäre dieses Leben nicht zu ertragen. Zu gerne hätte sie jeglichen Zweifel abgeschüttelt und den Augenblick herbeigesehnt, an dem sie ihren Bruder wiedersehen würde. Doch ein Teil in ihr blieb skeptisch. Was war mit den Menschen, die nicht zu der kleinen Gruppe der Erwählten gehörten? Gott konnte doch nicht die Menschen geschaffen haben, um schließlich nur so wenige von ihnen zu erretten.
»Gott, erbarme dich Lothar Gardners«, betete sie unhörbar für die anderen. »Er hat uns gerettet und ist ein braver und edler Mensch, auch wenn er seine Gebete vor einem römischen Altar spricht. Du darfst ihn nicht verwerfen.«
»Gleich erreichen wir ein Dorf«, unterbrach Draas ihr stummes Gebet. »Zuerst hatte ich überlegt, euch in einem Waldstück zurückzulassen und allein weiterzugehen. Aber das könnte jemandem auffallen. Daher werden wir alle zusammen in die Wirtschaft gehen. Wenn uns jemand fragt, wer wir sind, so ist Frau Inken eine Witwe, ich bin ihr Schwiegersohn und Frauke meine Schwester. Dann kommt man nicht so leicht darauf, dass wir gemeint sein könnten, wenn Verfolger nach uns fragen.«
Frauke fand Draas’ Vorschlag vernünftig, doch Silke zischte empört: »Ich will nicht als verheiratete Frau gelten!«
»Deine Mutter ist zu alt dafür und Frauke zu jung«, erklärte Draas eindringlich.
Doch Silke blieb stur. »Es wäre eine Lüge und damit noch schlimmer als eine Sünde!«
»Das wäre es, wenn wir nicht nur vorgeben würden, verheiratet zu sein, sondern uns auch so verhalten würden. Eine Lüge hingegen wird Gott uns vergeben. Schließlich geht es um unser Leben.«
Das sah schließlich auch Silke ein. Frauke hingegen brachte einen Einwand. »Aber Silke trägt nicht die Tracht einer
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