Flammen des Himmels
dies doch einige Plätze an Christi Tafel kosten, und das wollte er nicht riskieren.
Verärgert, weil er sich in seiner Situation beengt fühlte, sah Hinrichs Helm an. »Wir werden einen Tag hier rasten. Dann wandern wir weiter nach Geseke. Ich habe Haug und deiner Mutter gesagt, dass sie sich mit den Mädchen dorthin wenden sollen.«
»Ja, Herr Vater!« Da die unmittelbare Gefahr ausgestanden war, genoss Helm die Reise als großes Abenteuer. Vor allem aber freute er sich, dass er hatte mitkommen dürfen und nicht Haug oder eine seiner Schwestern. Wenn er mit der Mutter hätte reisen müssen, würde diese ihm gewiss keinen zweiten Krug Bier erlauben, wie der Vater es eben tat. Helm kam sich schon richtig erwachsen vor, als er mit ihm anstieß und anschließend einen tiefen Zug aus seinem Krug nahm.
»Was machen wir, wenn Haug und die anderen uns verfehlen?«, fragte er.
»Das werden sie nicht – und wenn doch, so kennt deine Mutter einige Brüder, die in verschiedenen Städten leben und uns Bescheid geben können. Von denen werden sie auch Essen und Kleidung erhalten«, antwortete Hinrichs.
Dabei war ihm klar, dass seine Frau und seine übrigen Kinder allein für Kost und Logis würden hart arbeiten müssen. Dieses Los traf aber auch ihn. Nun ärgerte ihn das Erscheinen des Inquisitors doppelt. Wäre er vorher gewarnt worden, wie es dreimal bereits geschehen war, hätte er das Haus und sein Werkzeug verkaufen und mit einem gut gefüllten Beutel das Weite suchen können. So aber war er arm wie eine Kirchenmaus und würde lange Zeit auf die Barmherzigkeit anderer angewiesen sein, bevor er wieder auf eigenen Beinen stehen konnte.
»Die Welt ist so etwas von ungerecht!«, sagte er brummig.
»Ja, Herr Vater«, antwortete Helm automatisch, ohne zu wissen, worum es eigentlich ging.
Für eine Weile versandete das Gespräch, weil jeder den eigenen Gedanken nachhing. Während Hinrichs überlegte, in welcher Stadt er sich mit seiner Familie ansiedeln sollte und wie er wieder zu Geld kommen konnte, sah Helm sich als Liebling des Vaters und war sehr zufrieden. Nun hatte er Haug und Silke übertroffen. Frauke zählte nicht, denn die war immer das schwarze Schaf der Familie gewesen und konnte nicht getauft werden. Daher würde sie auch in Zukunft hinter ihm und den anderen Geschwistern zurückstehen müssen.
Unterdessen füllte sich der Schankraum. Am Nebentisch nahmen drei Männer Platz, von denen einer die Kleidung eines reitenden Boten trug. Der zweite war ein Fuhrmann, und der dritte ein Schneider in engen Hosen und einem kurzen Rock. Sie schienen sich bereits auf der Straße unterhalten zu haben, denn sie setzten ihr Gespräch ansatzlos fort.
»Hoffentlich kommen wir dem Inquisitor auf unserem weiteren Weg nicht in die Quere«, sagte der Schneider eben.
Der Bote schüttelte den Kopf. »Soviel ich gehört habe, will er nach Rom zurückkehren. Vorher hat er noch ein paar arme Hunde verbrennen und die Bürger von Stillenbeck richtig bluten lassen. Was die ihm an Spenden und Ablassgeldern geben mussten, zahlen andere nicht einmal in zehn Jahren. Dem Fürstbischof von Münster werden die Augen tränen, wenn er davon erfährt, denn jeder Gulden, der nach Rom geschafft wird, geht ihm von den Steuern ab. Dabei braucht er jeden Pfennig, um die Schulden tilgen zu können, die er machen musste, um die Herren des Domkapitels und den Papst zu schmieren. Sonst wäre er nie als Fürstbischof in Münster eingesetzt worden.«
Die drei lachten, dann aber schüttelte der Fuhrmann in gespielter Verzweiflung den Kopf. »So ist es nun einmal auf der Welt! Ein Herr von Stand und mit Beziehungen kann alles werden, vor allem reich, während unsereiner zusehen muss, wo er bleibt. Hätte der Herrgott mich nicht auch als den Sohn eines Grafen zur Welt kommen lassen können anstelle eines Fuhrmanns?«
»Was willst du?«, fragte ihn der Schneider. »Du hast ein Gewerbe, das dich ernährt, kommst in der Welt herum und kannst dir ein Zubrot bei jenen Leuten verdienen, die eine Nachricht in eine andere Stadt senden wollen. Ich hingegen nähe mir die Finger wund und werde, wenn meine Kleider den hohen Herrschaften nicht gefallen, oft genug ohne Lohn davongejagt.«
Der Bote winkte mit einer lässigen Handbewegung ab. »Du musst auch nicht jammern! Immerhin arbeitest du unter Dach und musst dich nicht mit Regen, schlammigen Straßen, Schnee oder gar Räubern herumschlagen. Ich habe erst letztens …«
Hinrichs war immer unruhiger geworden. Nun
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