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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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stand er auf und trat zu dem anderen Tisch. »Verzeiht, aber ihr habt eben erwähnt, dass in Stillenbeck Ketzer verbrannt worden sein sollen. Könnt ihr mir mehr berichten?«
    »Das kann ich!«, erklärte der Bote selbstbewusst. »Ich habe es von einem Mann erfahren, der selbst dabei gewesen ist. Ein halbes Dutzend Leute sollen es gewesen sein, darunter auch drei Weiber. Mein Gewährsmann konnte mir sogar den Namen eines der Verurteilten nennen. Es handelte sich um den elenden Ketzerpropheten Berthold Mönninck. Den soll der Teufel holen und das ganze Wiedertäufergesindel dazu!«
    »Der Teufel hat ihn schon geholt!«, warf der Fuhrmann lachend ein. »Oder glaubst du, ein solcher Erzketzer wäre in den Himmel gekommen? Für den ist selbst das Fegefeuer noch zu kalt. Die Wiedertäufer sind alle dem Satan verfallen, und darum muss jeder gefunden und um die Ecke gebracht werden, damit sie nicht auch noch andere mit ihrer Häresie anstecken und deren Seelenheil gefährden. Aber warum interessierst du dich für diese Leute?«
    Bei dieser Frage blickte der Fuhrmann Hinrichs misstrauisch an. Dieser begriff, dass er sich auf sehr dünnem Eis bewegte, und stieß einen Laut aus, der einem Lachen gleichkommen sollte. »Es hat mich halt interessiert, weil ich selbst schon einmal gesehen habe, wie ein paar dieser elenden Ketzer verbrannt wurden. Aber jetzt lasst es euch schmecken.«
    Die letzte Bemerkung ließ Hinrichs fallen, weil die Schankmaid den dreien eben je eine Schüssel mit Eintopf hinstellte und die Krüge mit sich nahm, um sie neu zu füllen. Er selbst kehrte zu seinem Platz zurück und brauchte einen Schluck Bier, um seine rebellierenden Nerven zu beruhigen. Wenn neben Mönninck noch andere Männer und mehrere Frauen verbrannt worden waren, hieß dies, dass seine restliche Familie höchstwahrscheinlich nicht mehr existierte. Nun bedauerte er, nicht auf Fraukes und Draas’ Warnungen gehört zu haben. Doch er war es satt gewesen, immer wieder ins Ungewisse aufbrechen zu müssen, und hatte die Gefahr nicht wahrhaben wollen.
    Auch Helm hatte die Auskunft des reitenden Boten vernommen und zitterte bei dem Gedanken, seine Mutter, sein Bruder und seine Schwestern könnten auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden sein.
    »Daran ist nur Frauke schuld. Sie hätte Gerlind Sterken nicht ärgern dürfen!«, stieß er hervor.
    »Sei still!«, flüsterte Hinrichs ihm zu, trank aus und stand auf. »Komm mit! Wir haben heute noch ein ganzes Stück zu gehen, wenn wir Geseke morgen erreichen wollen!« Da sein Sohn nicht reagierte, gab er ihm einen Klaps und wandte sich noch einmal den drei Männern zu.
    »Gott befohlen, die Herren!«
    »Gott befohlen«, antwortete der Bote, während der Fuhrmann Hinrichs schweigend musterte und Vater und Sohn nachblickte, bis diese die Gaststube verlassen hatten.
    Dann sah er seine Freunde an. »Wenn das mal keiner dieser elenden Wiedertäufer war, will ich die nächste Fuhre umsonst nach Münster bringen.«
    »Dann solltest du ihn anzeigen. Aber welchen Beweis hast du?«, antwortete der Schreiber.
    Der Fuhrmann war schon aufgestanden und setzte sich nun wieder hin. »Du hast recht! Ohne Beweis sollte man keinen denunzieren. Wenn er ein Ketzer ist, wird er gewiss bald einem der geistlichen Herren auffallen und sein verdientes Ende finden. Reden wir lieber von anderen Dingen. Zum Wohl!«
    »Zum Wohl!«, scholl es zurück.
    Während die drei sich in der Schenke Bier und Eintopf schmecken ließen, wanderte Hinrichs mit seinem Sohn zum Tor hinaus. Bei der ersten Kreuzung verließ er die Straße nach Geseke und schlug einen anderen Weg ein, um eventuelle Verfolger zu täuschen.
    Hinrichs ahnte nicht, dass der reitende Bote seinen Bericht aufgebauscht hatte, damit er dramatischer klang. Zudem war dessen Gewährsmann überzeugt gewesen, dass man Inken Hinrichs genauso, wie es verkündet worden war, samt ihren Töchtern auf dem Scheiterhaufen verbrannt hatte.
    Hinrichs dankte Gott, dass er ihn und Helm errettet hatte. Gleichzeitig bedrückte es ihn, seine Frau und die anderen Kinder in Stillenbeck zurückgelassen zu haben. Fraukes Rat, sie sollten alle fliehen, war richtig gewesen. Ich hätte sie doch taufen lassen sollen, dachte er. Jetzt kann ich nur hoffen, dass unser Herr Jesus Christus sie trotzdem in seine Herde aufgenommen hat.
    »Was machen wir jetzt, Vater?«, fragte Helm, der sich zusehends unwohl fühlte.
    »Wir gehen weiter, bis es dunkel wird, und schlafen die Nacht im Wald. Morgen schlagen wir

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