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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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schwer bewaffnet gewesen waren. Für ein himmlisches Jerusalem erschien ihr das reichlich unpassend. Ganz in Gedanken trottete sie hinter dem Mann her, während die anderen ihrer Freude, endlich am Ort ihrer Sehnsucht angekommen zu sein, lauthals Luft machten.
    Klüdemann unterhielt sich eifrig mit dem Stadtknecht, der sich als begeisterter Täufer entpuppte. Der Mann lobte den Prediger Rothmann und den Rat Knipperdolling über den grünen Klee, ließ aber kein gutes Haar an einigen Mitgliedern des Stadtrats, die seinen Worten zufolge Söhne des Satans waren.
    »Man sollte die Kerle ebenso vertreiben wie den Schurken, in dessen Haus ihr einziehen werdet, oder noch besser – sie einen Kopf kürzer machen!«, setzte er grimmig hinzu.
    »Warum hat man es denn nicht getan?«, fragte Klüdemann.
    »Noch besitzen diese Heiden zu viel Einfluss in der Stadt, doch der schwindet von Tag zu Tag. Bald wird die Stunde kommen, in der sie jedes Wort und jede Tat bereuen werden, die sie gegen uns gesagt oder getan haben.« Bei diesen Worten streichelte der Stadtknecht seinen Schwertgriff.
    Seine Geste machte auf Frauke den Eindruck, als freue der Mann sich, andere Menschen töten zu können, und sie fragte sich mit wachsender Besorgnis, wie das alles hier noch enden sollte.

7.
    D as ihnen zugewiesene Haus entpuppte sich als großes Gebäude mit einem geräumigen Hof, einem angebauten Schuppen und einem Stall für Ziegen, Hühner und eine Kuh. Ein Teil der Tiere befand sich sogar noch in seinen Verschlägen. Sie waren in den letzten Tagen kaum oder gar nicht versorgt worden, denn sie schrien vor Hunger, und die Kuh stand bis zu den Fesseln in ihrem Mist.
    »Ich glaube, um die solltest du dich als Erstes kümmern«, sagte Mieke Klüdemann zu Frauke. »Deine Schwester kann in der Küche aufräumen, während deine Mutter und ich uns die anderen Räume ansehen und bestimmen, wer welche Kammer bekommt.«
    Frauke musterte die beiden Ziegen, das halbe Dutzend Hühner und die Kuh und sagte sich, dass die armen Tiere nichts dafür konnten, dass niemand sie gefüttert hatte. Daher griff sie nach einem Eimer und eilte zum nächsten Brunnen, um erst einmal Wasser zu holen.
    Als sie zurückkam, flatterten die Hühner ganz aufgeregt umher. Die Ziegen stießen Frauke vor Gier fast um, und die Kuh reckte Hals und Zunge, um an den Eimer zu gelangen. Frauke goss die Schale für die Hühner voll und verteilte den Rest in die Tröge der anderen Tiere. Es war jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein, und sie musste noch einige Male laufen, bis der Durst des Viehs gestillt war. Danach schüttete sie den Hühnern Körner in eine andere Schale und opferte ein wenig von dem Heu, das eigentlich für den Winter bestimmt war, um die Kuh und die Ziegen zu füttern. Da der Zwischenboden über dem Stall nur zur Hälfte gefüllt war, beschloss Frauke, bald auf den Anger hinauszugehen, um noch ein wenig Heu zu machen.
    Als sie mit dem Ausmisten beginnen wollte, steckte ihre Schwester auf einmal den Kopf zur Stalltür herein. »Frauke, ich habe im Haus einen Kittel und ein Paar Holzschuhe gefunden, die dir passen müssten. Die sind für die Stallarbeit auf jeden Fall besser geeignet als das Zeug, das du jetzt trägst.«
    »Danke!« Frauke freute sich über die Aufmerksamkeit ihrer Schwester und folgte Silke ins Haus. Dort zog sie sich in einer halb ausgeräumten Kammer um und wollte wieder an ihre Arbeit gehen.
    Da hielt ihre Schwester sie auf. »Die Leute, die hier gewohnt haben, mussten ihr Haus so rasch verlassen, dass sie kaum etwas mitnehmen konnten. Wenn wir jetzt hier leben und ihre Sachen benützen, ist das doch so etwas wie Diebstahl.«
    Die Bemerkung hätte Frauke beinahe dazu gebracht, Kittel und Holzschuhe wieder auszuziehen. Dann aber atmete sie tief durch und sah ihre Schwester hilflos an. »Im Grunde hast du recht. Doch war es nicht auch Diebstahl, als wir selbst fliehen und unsere Sachen zurücklassen mussten?«
    Ihre Schwester senkte betrübt den Kopf. »Das war es wirklich. Ich hatte ein so schönes, fast neues Kleid, das nun jemand anderes trägt oder gar als Putzlumpen verwendet.«
    Zwar hatte Frauke selbst kein Kleid zurücklassen müssen, um das sich zu trauern gelohnt hätte, dennoch verstand sie ihre Schwester. »Man könnte fast das Gefühl haben, die Welt gerät aus den Angeln, und kein Mensch gönnt dem andern die Luft zum Atmen. Mir gefällt das nicht, und ich habe Angst!«
    »Angst?«, rief Silke erstaunt. »Ach ja, du bist noch

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