Flammen über Arcadion
ich schwöre Ihnen, das ist die Wahrheit.«
Der Inquisitor hob das Kinn ein wenig und musterte sie eine Weile lang stumm. Dann zog er die oberste Schublade seines Schreibtischs auf und holte Caryas Amulett hervor. »Was ist das?«, fragte er.
Carya zögerte. Durfte sie dem Inquisitor von der Kapsel erzählen? Sie vermochte nicht einmal zu erahnen, was für Folgen das haben würde. Andererseits war die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Schwarzen Templer bei ihrem Überfall auf das Mutantendorf auch den Tempel und seinen Inhalt entdeckt hatten. Und wenn sie die Kapsel ohnehin bereits in ihrem Besitz hatten, spielte es vermutlich kaum eine Rolle, ob sie diese mit dem Schlüssel öffneten oder mit roher Gewalt aufbrachen. »Ein Schlüssel«, sagte sie.
»Für die Kapsel, die wir geborgen haben?«, hakte Loraldi nach und bestätigte damit Caryas Vermutung. »Mit der Sie zur Erde gekommen sind?«
»Mit der ich abgestürzt bin, ja.«
»Wie verwendet man ihn?«
Carya sagte es ihm. »Es gibt noch einen Code. Er lautet Vier-Fünf-Eins. Aber in der Kapsel finden Sie nichts. Ich habe sie durchsucht. Alles ist tot. Dort werden Sie ebenso wenig über meine Vergangenheit erfahren wie von mir.«
Loraldi lehnte sich auf seinem Sitz zurück. »Wir werden sehen«, sagte er. »Die Untersuchung des Flugapparats überlasse ich dem Templerorden. Was hingegen Sie betrifft … Ihr Erinnerungsvermögen mag durch den Absturz Ihres Gefährts gelitten haben, aber irgendwo in Ihrem Kopf stecken die Antworten auf unsere Fragen. Da bin ich mir sicher. Und ich verspreche Ihnen: Wir werden sie gemeinsam finden.«
Aus dem Mund eines anderen Mannes wären das ermutigende Worte gewesen. Bei Loraldi hingegen klangen sie wie eine Drohung, die Carya einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
In der dunklen Halle unter der Erde heulte der Motor des riesigen Panzerfahrzeugs auf. Ein Husten und Stottern war zu hören, dann kehrte wieder Stille ein.
»Verdammt!« Frustriert schlug Jonan in der Fahrerkabine auf die Konsole. »Ich schaffe es einfach nicht. Ich kriege den Panzer nicht zum Laufen.«
»Vielleicht ist die … « Pitlit, der neben ihm auf dem Beifahrersitz hockte, suchte nach dem richtigen Wort. »Treibstoffdings … Zuleitung kaputt.«
»Entweder das, oder es ist etwas ganz anderes. Ich verstehe schlichtweg zu wenig von dieser alten Technologie.« Jonan seufzte.
Mablo, der draußen auf dem Leviathan -Panzer herumgeklettert war, steckte den Kopf zur Luke herein. »Was machen wir jetzt?«, fragte der Mutant.
Jonan lehnte sich auf dem durchgesessenen Fahrersitz zurück und starrte nachdenklich durch das vergitterte Sichtfenster in die Finsternis hinaus. »So kommen wir nicht weiter. Wir brauchen Hilfe von jemandem, der mehr Ahnung von Technologie aus der Zeit des Sternenfalls hat.«
»Und wer soll das sein?«, wollte Pitlit wissen.
»Caryas Freunde im Norden«, erwiderte Jonan. Der Gedanke war schon eine ganze Weile in seinem Kopf gereift. Es gefiel ihm nicht, sich an die Invitros wenden zu müssen, aber anscheinend blieb ihm keine andere Wahl. Er stand auf. »Ich brauche ein Motorrad.«
»He, und was mache ich solange?«, begehrte Pitlit auf.
»Du hältst hier die Stellung«, sagte Jonan.
»Na toll.« Der Straßenjunge verzog das Gesicht.
Jonan schlug ihm auf die Schulter. »Sei dankbar. Wer weiß, was mich im Norden erwartet.«
Seine eigenen Worte hallten unheilvoll in seinem Geist wider, als Jonan den Anlasser des schweren Motorrads durchtrat, den Gashebel betätigte und über die schmale vom Dorf fortführende Straße in die Wildnis hineinbrauste. Er trug jetzt eine zerschlissene, dunkle Lederjacke und eine vom Staub zerkratzte Motorradbrille, die er – wie die Maschine selbst auch – einem der toten Gangmitglieder abgenommen hatte. Auf dem Rücken hing sein Sturmgewehr, den Sack mit seinen Habseligkeiten hatte er hinter sich auf dem Sitz festgezurrt.
Jonan hatte keine Ahnung, wie die Künstlichen ihn empfangen würden. Sie hatten allen Grund, abweisend zu sein. Die meisten natürlich geborenen Menschen begegneten ihnen mit Abscheu, und in den letzten Jahrzehnten war ihnen viel Leid zugefügt worden. Glücklicherweise wissen die nicht, dass ich noch vor Kurzem in der Garde des Tribunalpalasts gedient und ihresgleichen gejagt und einer mordlustigen Gerichtsbarkeit überstellt habe , dachte Jonan.
Er hoffte, dass der Brief, den Carya von Rajael bekommen hatte, wirklich die gewünschte Wirkung entfalten und die Invitros
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