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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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nichts bekannt.
    Pitt war müde und von Kopf bis Fuß schmutzig, weil er die Trümmer durchsucht hatte. Vieles war schon beiseite geschafft worden. Zwischen schwarzen Mauerresten, die zum Himmel emporragten, sah man einzelne Balkenenden, die das Feuer verschont hatte. Zersplitterte Schieferstücke und Glasscherben lagen auf den Pflastersteinen verstreut. Immer noch hing Brandgeruch schwer in der Luft.
    »Wem gehört die Josephine ?«, fragte Pitt und fuhr sich mit der Hand durch das Haar, womit er sich noch mehr Asche ins Gesicht strich.
    »Simbister«, gab Tellman zurück. »Die Wasserschutzpolizei sagt, der Kahn soll heute Nacht weggeschafft werden. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Was suchen Sie hier überhaupt noch?«
    »Leichen von Leuten, die nicht hier gewohnt haben«, gab Pitt zurück. »Bisher haben wir die Überreste zweier Menschen gefunden, von denen niemand sagen kann, wer sie sind. Wer weiß, ob man nicht eine Verbindung zwischen ihnen und den Explosionen herstellen kann.« In seiner Stimme lag wenig Hoffnung.
    »Anarchisten?«
    »Vermutlich. Andererseits können es auch Leute gewesen sein, die jemanden besucht haben, der uns nichts über sie sagen kann, weil er nicht mehr lebt.« Er richtete sich auf. »Sollte ich den Lastkahn am angegebenen Platz finden und er noch Dynamit oder Spuren davon an Bord haben, lässt sich dann die Verbindung zu Simbister einwandfrei beweisen?«
    »Ja.« Tellman berichtete ihm knapp, was er von Taschen-Jones erfahren hatte. »Sie dürfen da auf keinen Fall allein hin.«
    Pitt dankte ihm mit einem Lächeln, das wegen des Schmutzes auf seinem Gesicht etwas schief ausfiel.
    Kaum dass sie aus den Trümmern wieder auf die Straße traten, sahen sie Charles Voiseys elegante Gestalt. Er kam in Begleitung eines Polizeibeamten auf sie zu. Als er Pitt erkannte, beschleunigte er den Schritt, ohne Tellman weiter zu beachten.
    »Wir dürfen nicht länger warten! Für morgen ist eine weitere Lesung des Gesetzentwurfs vorgesehen«, sagte er unvermittelt. In seiner Stimme schwang Verzweiflung. Sein Gesicht sah im Schein der Abendsonne müde aus. Unter seinen Augen lagen dunkle Schatten. Er wehrte sich gegen die unausweichlich scheinende Niederlage. »Großer Gott, ist das entsetzlich!« Er sah nicht zu den Ruinen hin, die ihn umgaben, den Kaminen, die aus dachlosen Hausstümpfen vor dem blassen Himmel aufragten, den Trümmern, die über das Pflaster verstreut lagen, den Resten von Möbeln und Hausrat, den Kleidungsstücken, von denen nur noch Fetzen übrig waren. Sein Ausdruck zeigte deutlich, dass er die Toten bereits gesehen hatte und sich den Anblick nicht noch tiefer einprägen wollte.
    »Wir haben festgestellt, dass es eine Beziehung zwischen dem Dynamit und Simbister gibt«, sagte Pitt und merkte, wie Tellman zusammenzuckte. Vermutlich war er überrascht, dass Pitt Voisey so sehr traute. »Ich bin auf dem Weg nach Shadwell, um mir einen Lastkahn anzusehen, auf dem es sich befinden soll.«
    »Wann?«, fragte Voisey.
    »Jetzt gleich.«
    »Sie können nicht allein dorthin gehen.«
    »Das ist auch nicht meine Absicht. Tellman begleitet mich.«
    Voisey sah Tellman zum ersten Mal an und musterte ihn mit unverhülltem Interesse. Nahezu im selben Augenblick bahnte sich jemand vom anderen Ende der Straße her seinen Weg durch die verstreuten Trümmer und kam, nachdem er wenige Worte mit dem Streifenbeamten gewechselt hatte, geradenwegs auf Tellman zu, der den Ankömmling offenkundig erkannte.
    »Mr Tellman, Sir«, sagte dieser atemlos. »Se werd’n dring’nd auf der Wache erwartet. Es geht um ’nen Diebstahl. Mr Wetron hat mich geschickt, ich soll Se hol’n. Er sagt, die Sache is zu wichtig, un man könnt se nich Johnston überlass’n. Sieht so aus, wie wenn die den arm’n Kerl von Butler ziemlich übel zusamm’n-geschlag’n un der Hausfrau schrecklich Angst gemacht ham.«
    »Stubbs, sagen Sie …«, begann Tellman, begriff dann aber, dass er in der Klemme steckte. Wetron hatte nach ihm geschickt, und Stubbs hatte ihn zusammen mit Pitt gesehen. Doch Pitt durfte auf keinen Fall allein nach Shadwell Docks gehen.
    »Mr Tellman«, sagte Stubbs eindringlich. »Ich hab fast ’ne Stunde gebraucht, um Se zu find’n.«
    Wie war er auf den Gedanken gekommen, wo man ihn finden könnte? War Wetron bereits so argwöhnisch? Höchstwahrscheinlich wusste er schon alles. Stubbs sah ihn geradezu flehentlich an. Tellman musste an die Familie des Mannes denken, die von ihm abhing. Er durfte nicht mit

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