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Flammen um Mitternacht

Flammen um Mitternacht

Titel: Flammen um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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keine Nervosität, die ihm zum
Verhängnis werden konnte.
    Denn mit
einer Hand, seiner gestählten Tennishand, hielt er sich fest. So bewahrte er
das Gleichgewicht auf schmalem Grad.
    Jetzt
streckte er die rechte Hand aus. Seine Finger berührten den Papierbogen.

    Er wollte
ihn aufnehmen. Aber der Bogen saß fest.
    Er zog
stärker.
    Kniiirsch —
raaaaatsch... Das Papier zerriß.
    Der mittlere
Teil haftete — nein, klebte auf dem Sims und würde dort bleiben, zwar nicht bis
in alle Ewigkeit, aber bis zum nächsten Regen bestimmt. Denn das Papierstück
war festgeleimt — mit viel zähem, bräunlichen Leim.
    Erkenntnis
blitzte in ihm auf.
    Das ist
vorbereitet! Eine Falle! Und ich bin...
    Haut fetzte
von seiner Wange, als sein Kopf — immer noch dicht an der Mauer — herumfuhr.
    Er wollte
sich zum Fenster ziehen, aufrichten dabei und hineinflanken — aber auf halbem
Weg stockte ihm der Atem. Schweiß brach ihm aus — und nicht nur in den Achseln.
Für Sekundenbruchteile lähmte ihn der Schock.
    Ihre Blicke
begegneten sich.
    Die Frau
stand am Fenster. Ihre Augen waren aufgerissen. Übermenschliche Anstrengung
schien das Gesicht zu verzerren. Aber es konnte keine körperliche Anstrengung
sein, denn sie hielt nur einen Tauchsieder in der Hand.
    Die Spirale
glühte.
    Sie würde
durchbrennen bis auf den Knochen und auch den verletzen, sobald das sengende
Metall sich in Gunters Handrücken fraß.
    Schon spürte
er die Hitze.
    Denn der
Tauchsieder schwebte unmittelbar über seiner Hand — über der, mit der er sich
festhielt.
    Nur noch
Zentimeter.
    Er
vermeinte, den Schmerz schon zu fühlen.
    Sein Blick
bohrte sich in ihre Augen, in denen jetzt der Wahnsinn zu flackern schien.
     
    *
     
    Als Locke
und Tom das Polizei-Präsidium verließen, bestand keine Unklarheit mehr. Die
Illegalen wurden in ihre Heimatländer abgeschoben. Korac, Mollai und Luka
blieben in Untersuchungshaft. Anklage wurde vorbereitet wegen schwerer
Brandstiftung, Steuerverkürzung, Verstoßes gegen das
Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz und, und, und... Außerdem — und das wog am
schwersten — wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung.
    „Diese
Verbrecher ist die Menschheit erstmal los, für lange Zeit“, meinte Locke
zufrieden. „Die beuten niemanden mehr aus.“
    Tom sah auf
seine Armbanduhr. „In die Schule zu fahren, lohnt nicht mehr. Dort ertönt bald
das letzte Läuten, und die große Freizeit bricht an.“
    „Wir fahren
zum Pressehaus, ja?“
    „Zu Gunter?“
    „Na, zu wem
sonst? Glaubst du, ich will die Kantine beehren. Mein Papi ist jetzt bestimmt
zurück. Vielleicht können wir unser Taschengeld aufpäppeln, indem wir Kunert
helfen. Der schießt zwar jeden Tag mindestens einmal das Foto des Jahres. Aber
bei den Bildunterschriften tut er sich schwer.“
    Sie
rollerten zum Pressehaus.
    In der
Tiefgarage fehlte Gunters Saab.
    Aber da sie
einmal hier waren, stellten sie ihre Roller auf die leere Parkfläche und fuhren
mit dem Lift in die Siebte hoch, wo Melanie Frühauf im Vorzimmer emsig tippte —
abtippte: nämlich die von Gunter redigierten (satzfertig machen) Manuskripte freier Mitarbeiter.
    „Hallo!“
erwiderte sie den Gruß der beiden. „Nein, euer Familienoberhaupt ist noch nicht
zurück. Das heißt, vom Verleger ist er zurück. Aber...“
    Sie nahm die
Finger von den Tasten, und Unruhe schlich sich in ihre Miene.
    „...diese
Claudia Schoeffe rief an. Sie will ihren Scheich in die Pfanne hauen. Will weg
von Honold. Deshalb verrät sie ihn, sozusagen. Und stellt dem Chef Beweise
Honoldscher Kriminalität zur Verfügung.“
    „Waaaas?“
fragte Locke.
    Auch Tom war
überrascht.
    Die Frühauf
berichtete.
    Vergessen
war jetzt die selbstlose Absicht, Kunerts Bildunterschriften in Schwung zu
bringen.
    „Da fahren
wir mal hin“, sagte Locke. „Die Sache hört sich komisch an. Ich kann’s einfach
nicht glauben.“
    „Dein Vater
dachte das gleiche. Aber er verzichtet ja auf keine Gelegenheit, Informationen
zu sammeln — zumal wenn es welche von diesem Gewicht sind.“
    Sie kannten
nicht nur Honolds Adresse und den Weg dorthin, sondern sogar einen etwas
kürzeren — was das letzte Stück betraf.
    So kam es,
daß sie sich den drei Hochhäusern von der Rückseite her näherten — nämlich über
den Rasen, der in Form eines Kreisausschnitts angelegt war.
    Ein Weg, von
Laternen gesäumt — einige gab’s jedenfalls —, teilte die Grünfläche und führte
zum mittleren Haus.
    Schon von
weitem bewunderten sie den Zeppelin. Er

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