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Flammenbraut

Flammenbraut

Titel: Flammenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Black
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hatten keine Hinweise auf einen Zugang zu der Geheimkammer vom oberen Stockwerk aus hervorgebracht. Theresa vermied es, weiter in ihn zu dringen, sondern fragte stattdessen: »Gut so?«
    Corliss begutachtete ihr Werk und sagte: »Noch ein bisschen mehr.« Er nahm ihr den Behälter aus der Hand.
    Irgendetwas machte sich in ihrer Erinnerung bemerkbar und verlangte nach ihrer Aufmerksamkeit. Die Erwähnung des Nachbarstaates hatte ein früheres Gespräch wieder an die Oberfläche gebracht, das sie bei ihrem ersten Besuch bei Edward geführt hatten. »Sie sagten, Ihr Vater habe zuerst für eine Eisenbahngesellschaft in Pennsylvania gearbeitet und sie dann schließlich gekauft?«
    »Dort befand sich der Hauptsitz. Die Strecke verlief von Harrisburg nach Chicago.«
    Er streute weitere lose künstliche Schneeflocken über Theresas feuchte Schneeschicht und erzeugte damit einen Schneesturm, der realistisch genug war, um im Wetterbericht Erwähnung zu finden.
    »Der Winter ist da«, bemerkte Theresa.
    Er ließ noch mehr Flocken auf das Dach der Public Hall rieseln. Offensichtlich hatte es einen Blizzard gegeben in Cleveland. »Schnee überdeckt viele Sünden. Kleine Makel, Dächer, die nicht genau zueinanderpassen.«
    Theresa wurde langsam müde, ihre Beine waren schwer. Die kurze Nacht mit viel zu wenig Schlaf holte sie allmählich ein. »Mein Vater hat das Gleiche immer über Farbe gesagt. Dass sie viele Sünden überdeckt, meine ich.«
    Schnee. Farbe.
    »Wo hat Ihr Vater in Pennsylvania gewohnt? Als er für die Eisenbahn gearbeitet hat?« Um seine Aufmerksamkeit von dem Modell abzulenken, fügte sie hinzu: »Die, die er später gekauft hat.«
    Corliss verschloss den Plastikbehälter. »Oh, in einer kleinen Stadt, von der Sie wahrscheinlich noch nie gehört haben. Außer Schienen gibt es da eigentlich nichts.«
    »Wo?«, fragte sie wieder, auf der Jagd nach einem Gedanken, der noch nicht so recht Gestalt annehmen wollte.
    »New Castle.«
    Und da fiel das letzte Puzzleteil an seinen Platz.
    Arthur Corliss erfüllte alle Kriterien, um der Torso-Mörder zu sein. Er hatte ein umfassendes Wissen über Eisenbahnen und freien Zugang dazu gehabt. Er hatte in der Gegend um Kingsbury Run gearbeitet. Er hatte in New Castle gelebt und dort ein Unternehmen geleitet. Er war nicht nur Eigentümer des Gebäudes gewesen, in dem er auch sein Büro gehabt hatte, sondern hatte – offensichtlich – auch die Kammer genutzt, in der James Miller ermordet worden war.
    Theresa fühlte sich wie trunken – doch nicht vom Erfolg, sie konnte sich nicht im Geringsten darüber freuen, dass sie die Torso-Morde offenbar geklärt hatte. Zum einen wirkten die Beweise zwar erdrückend, doch gleichzeitig immer noch vollkommen nebensächlich. Zum anderen fühlte sie sich wegen Edward Corliss schlecht. »Und Ihr Vater hat nie …« Was? Zeichen entarteter Gewalttätigkeit erkennen lassen? Über seine Opfer gesprochen? Seine Trophäen gezeigt, wenn er welche zurückbehielt? Sie wusste, sie sollte jetzt den Mund halten, die weiße Masse abstellen und die Gleise allein absuchen, Corliss mit den Geistern der Vergangenheit allein lassen. Sie musste mit Frank sprechen. Zu zweit würden sie entscheiden, was sie als Nächstes tun würden.
    »… nie darüber gesprochen, dass er der Torso-Mörder war?« Edward warf ihr ein müdes Lächeln zu und straffte die Schultern. »Das ist ein knallharter Job, den Sie da haben, Theresa.«
    »Ich weiß.«
    »Die Antwort lautet nein, hat er nicht. Ich bin mir sicher, dass er es meiner Mutter gegenüber auch nie erwähnt hat.«
    Theresa furchte die Stirn, versuchte zu verstehen, was sie da gerade gehört hatte.
    »Sie wusste es nicht, wissen Sie? Sie hielt ihn für einen großen Geschäftsmann und Philanthropen – was er auch war – und für nichts anderes. Ich hätte es auch ein Leben lang geglaubt, wenn ich nicht eines Tages in den Keller geschlüpft wäre, um ein Bier zu stibitzen, und ein Bein in einem großen Waschbecken gefunden hätte.«
    Theresa wartete, als ob ihr Gegenüber zu schnell spräche und sie ihrem Gehirn ein wenig Zeit geben müsste, um das Gesagte zu verarbeiten und einen Sinn in den Worten zu erkennen. Doch für Theresa ergab alles schon jetzt zu viel Sinn.
    Edward fuhr fort, helle Lichtreflexe tanzten in seinen blauen Augen. »Sie haben ihn nie gefasst. Er kam nicht ins Gefängnis, seine Familie hat ihn nicht in irgendeiner schicken Anstalt versteckt. Er hat einfach sein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit

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