Flammenbraut
nichts außer den Zügen und der Erinnerung an seinen Vater. Beinahe hätte sie ihn gewarnt, was noch auf ihn zukommen würde, wenn man seinen Vater als Clevelands berüchtigtsten Serienmörder entlarvte. Züge waren das Einzige, was ihn von der Einsamkeit einer Irene Schaffer trennte. Theresa tauchte einen Finger in der Masse.
Aber könnte es sich hier um einen Fall von »wie der Vater, so der Sohn« handeln? Auch wenn sie sich den älteren Mann kaum vorstellen konnte, wie er mit der Leiche eines erwachsenen Mannes unter dem Arm aus Zügen sprang, war er ebenso verdächtig wie Jablonski oder Greer.
Der künstliche Schnee fühlte sich heute nasser an, klebte an ihren Fingern ebenso wie an den rauen Zweigen der Plastikbäume, während sie die Züge ihre Runden drehen sah. Von Cleveland nach New Castle, Pennsylvania. James Miller hatte damals nichts von der Mordserie in der anderen Stadt gewusst; man hatte die Verbindung erst nach seinem Tod hergestellt.
Jablonski hatte sich allerdings an der Theorie festgebissen. Theresa hatte am Morgen im Labor den Plain Dealer gelesen. Der Reporter hatte sich zwar beherrscht und sie nicht als Quelle angegeben, doch abgesehen davon hatte er jede Einzelheit ihrer nächtlichen Unterhaltung in seinen Artikel eingebaut. Als ihm die Fakten ausgegangen waren, hatte er sich in Spekulationen verstiegen. Der Mann war ganz klar besessen. Vielleicht zu sehr.
Auch wenn Jablonski immerhin Millers letzte Ruhestätte bewahren wollte. Stadtrat Greer hatte das Gebäude abreißen wollen, seit man die Leiche entdeckt hatte. Warum? Um ein Verbrechen aus der Vergangenheit zu verschleiern? Um seine Verbindung zu der neuen Mordserie zu verbergen?
Sie blickte auf den Miniatur-Terminal-Tower. Nichts war wirklich von Bedeutung. Wie bei den damaligen Torso-Morden waren alle Spuren schwer greifbar, veränderten sich ständig in Aussehen und Gewichtung. Was sie in der letzten Woche erfahren hatte, brachte sie zu keinem Ergebnis.
»Also.« Corliss rückte zwei Kiefern in den Metroparks gerade, während er sprach. »Glauben Sie immer noch, dass mein Vater der Torso-Mörder gewesen sein könnte?«
»Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich werden wir es nie mit Sicherheit wissen. Leider wurde James Millers Leiche an einem Ort gefunden, zu dem höchstwahrscheinlich nur Ihr Vater Zugang hatte.«
»Woher wissen Sie das?«
Sie erzählte ihm von ihrem Gespräch mit Irene Schaffer.
»Dr. Louis? Der Ernährungsberater?«
»Ja.«
»Für mich klingt er viel verdächtiger als mein Vater.«
»Da stimme ich Ihnen zu. Doch der Torso-Mörder hatte nie Interesse an jungen Mädchen gezeigt, und ihrer Beschreibung nach befand sich die Kammer näher an der Außenwand als der Raum, in dem wir James Miller gefunden haben.«
»Aber Sie können es nicht mit Sicherheit sagen. Vielleicht hatten diese Kammern nicht dieselbe Größe. Vielleicht hat Dr. Louis beide benutzt. Und selbst wenn es zum Büro meines Vaters eine Verbindungstür gegeben hätte, muss das nicht bedeuten, dass er sie auch benutzt hat.«
Theresa sagte nichts dazu. Sie hatte keinen Grund zu glauben, dass die Kammern unterschiedliche Größen gehabt hatten, außerdem war es ziemlich schwer, eine Leiche im eigenen Abstellraum zu erklären. »Es wäre hilfreich, wenn wir die Originalbaupläne hätten.«
»Wenn ich sie finde, lasse ich es Sie wissen.«
Theresa strich künstlichen Schnee auf eine Tanne und tupfte ihn auf die herbstlich bunten Blätter einer Eiche. »Ich dachte, Sie hätten die Unterlagen Ihres Vaters bereits durchgesehen.«
»Das habe ich auch. Aber wahrscheinlich hat man das Gebäude beim Verkauf durchsucht, sodass die ganzen Akten eher in der Sammlung der Pennsylvania Railroad liegen. Wenn ich etwas finde, lasse ich es Sie wissen.«
»Danke.« Die meisten Menschen hätten sich nicht so kooperativ gezeigt, um die Schuld eines Elternteils zu beweisen. Aber vielleicht wollte Edward die Wahrheit genauso dringend herausfinden wie sie.
Als er mit der Position der Bäume schließlich zufrieden war, fügte er hinzu: »Aber wissen Sie, vielleicht habe ich da auch was durcheinandergebracht in meiner Erinnerung, und das war gar nicht das Büro meines Vaters. Außerdem arbeiteten die Architekten in dem Gebäude, das sie entworfen hatten. Sie hätten heimlich alle möglichen Geheimkammern einbauen können.«
Das stimmte, aber es war unwahrscheinlich. Der Boden war zu massiv gewesen, um vom Keller aus durchbrochen werden zu können, und die Bauarbeiten
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