Flammenbraut
Report heute Nachmittag anrufen, und ich möchte etwas haben, was ich ihnen erzählen kann.«
»Aber ich dachte, wir geben keine Informationen zu laufenden Ermittlungen …«
»Ich möchte«, wiederholte er, während er ihr die Tür aufhielt, »etwas haben, was ich ihnen erzählen kann.«
Theresa unterdrückte ein Seufzen und trug das Notizbuch in einer Schale die zwei Treppenabsätze hinunter. Das Ultraviolettgerät stand im Amphitheater, da sie es normalerweise zur Untersuchung von Kleidungsstücken verwendete.
Sie hatten Glück. Die Verwesungsflüssigkeit hatte die Tinte nicht verlaufen lassen, und das ultraviolette Licht drang mühelos durch jahrzehntealtes Blut und andere Körpersäfte, als ob sie gar nicht da wären, und schließlich in die Schrift ein, als ob es die Einkerbungen mit Schwärze ausfüllen wollte.
»Es scheint sich um eine Liste zu handeln.« Theresa starrte auf die Seite und versuchte die Worte im Kopf zu ordnen.
»Man könnte annehmen, er habe sich Notizen zu seinen Fällen gemacht wie jeder Detective«, grübelte Leo und verbreitete dabei seinen Atem. Offensichtlich hatte er mittags etwas mit Curry gegessen. »Ob er wohl an den Torso-Morden gearbeitet hat? Hey, vielleicht ist er der Torso-Mörder. Wäre das nicht großartig?«
»Nein«, antwortete Theresa knapp. »Das wäre überhaupt nicht großartig.«
»Nun, interessant wäre es auf alle Fälle. Ein berühmter Serienmörder entpuppt sich als Cop. Normalerweise ist das sowieso immer die dritte Theorie bei Ermittlungen, gleich nach ›Arzt‹ und ›verwöhnter Sohn aus reichem Elternhaus‹. Dieselben Theorien, wie man sie bei Jack the Ripper hatte.«
Theresa schrieb ihre Transkriptionen auf ihr Arbeitsblatt, die Augen in der Dunkelheit zusammengekniffen. »Haben Sie auch eine Theorie, warum der Torso-Mörder die Opfer enthauptet hat?«
»Er dachte, sie wären Vampire, und wollte sichergehen, dass sie wirklich tot sind?«
»Ich habe mich in der Literatur schlau gemacht. Enthaupten als Mordmethode ist sehr selten, so selten, dass ich nichts darüber in den Büchern finden kann. Leichen werden oft zerstückelt, um sie leichter zu entsorgen, doch der Torso-Mörder muss andere Motive gehabt haben. Manchmal hat er seine Opfer zerteilt, sie dann aber an einem Ort zurückgelassen, wo sie unweigerlich gefunden werden mussten. Manchmal hat er die Teile über die Stadt verstreut.«
»Zum Beweis, dass kein Mensch eine Insel ist, so etwas in der Art?«, vermutete Leo.
»Manche hat er eine Weile aufgehoben. Und doch war seine Auswahl an Opfern derart vielseitig – sie waren jeden Geschlechts und Alters wie beim Zodiac-Killer oder beim Night Stalker. Vielleicht ist es also nichts Sexuelles.«
»Machen Sie Witze? Er hat einige von ihnen entmannt. Haben Serienmorde außerdem nicht immer sexuelle Hintergründe?«
»Guter Punkt«, erwiderte Theresa. »Bei einigen Opfern hat er allerdings nur den Kopf abgetrennt. Warum dann den Kopf?«
»Das macht man im Mittleren Osten gern.«
»In dem Fall ist es aber eher eine politische Aussage. Bei politischen Morden wie bei den Samurai oder Vlad dem Pfähler und während der Französischen Revolution war das wohl sehr populär. Doch bei einem Durchschnittspsychopathen ist das eher ungewöhnlich.«
»Vielleicht wollten unsere Killer beide anders sein.«
»Aber warum die Enthauptungen?«
»Ich weiß es nicht, okay? Können Sie lesen, was da steht?«
James Miller hatte geschrieben:
Pillen
Hundehaare
Zeitung
Nahrung im Bauch Eisenbahnkohle?
Bulle?
»Wie können Sie das bitte entziffern?«, wollte Leo wissen.
»Wenn ich meine eigene Handschrift lesen kann, dann auch jede andere.«
»Seine Listen sehen tatsächlich aus wie die Ihren. Ein Haufen Wörter, der nichts bedeutet.«
»Mir sagen meine Listen durchaus etwas.« Theresa blätterte eine Seite weiter im Notizbuch. »Und diese müssen ihm etwas gesagt haben.«
Kingsbury – 5. Juni 1936
enthauptet, WM , in den Zwanzigern
schlank, viele Tätowierungen
nackt
kein Blut!
vor der Nase der Bahnpolizei – warum?
Kleider aufeinandergelegt
»1936 war er also noch am Leben«, stellte Theresa fest. »Und er hat tatsächlich in den Torso-Morden ermittelt.«
»Und sie gelöst. Er hat den Typen geschnappt.«
Theresa starrte ihren Chef an, sein Gesicht ein geisterhafter Schemen in dem schwachen UV -Licht.
»Was denn?«, meinte Leo. »Ist Ihnen der Gedanke nicht gekommen?«
»Ja, aber …« Der Gedanke war natürlich da gewesen, seit sie die Leiche
Weitere Kostenlose Bücher