Flammenbraut
enthielt. Alles andere war wohl ins Futter gerutscht. James schlug die Jacke auf.
Helen seufzte vernehmlich. »Es wäre doch schön, mal eine Spaghettiparty zu veranstalten«, sagte sie. »Es wäre sogar noch schöner, wenn wir Freunde hätten, die wir dazu einladen könnten.«
»Natürlich.« James ertastete eine Münze, ein stabförmiges Objekt und zwei kleine, harte Kugeln im Jackenfutter. Doch wie sollte er sie herausbekommen?
»Wir könnten Walter und seine Frau einladen.«
Seine Finger passten kaum durch das Loch. Er konnte das Futter nicht herausreißen, das würde ihm Ärger mit dem Captain einbringen, der ihm das Beweisstück anvertraut hatte. Außerdem würden die Leute von der Bertillon-Einheit die Jacke auf Spuren untersuchen; er und Walter sollten sich darum eigentlich nicht kümmern. Aber er wollte nicht warten. »Wo hast du deine Nähschere?«
Helen schlug die Beine übereinander. »Wen noch außer den McKennas?«
Er holte die Schere rasch selbst. Dann schnitt er durch einige Stiche am unteren Rand der Naht. Das würde er den Bertillon-Jungs schon erklären können, wenn er ihnen die Jacke übergab. Und er sollte besser auf Helens letzte Bemerkung eingehen, bevor sie die halbe Nachbarschaft einlud. »Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns neues Geschirr leisten können. Oder Spaghetti.«
»Ich sehe keinen Grund, warum nicht.«
»Kannst du das mal hochhalten? So, an den Schultern. Ich muss herausfinden, was sich im Futter befindet.« Er hoffte, dass die Zeitungen die Jacke nicht erwähnen würden. Wenn Helen je erfuhr, was sie da in Händen gehalten hatte, würde es einen weiteren Mord aufzuklären geben – nämlich seinen eigenen.
Sie ließ sich Zeit, half ihm jedoch, die Jacke über den Küchentisch zu heben. James schüttelte das Futter und schob mit den Fingern den Inhalt des Futters auf die winzige Öffnung zu, die er in die Naht geschnitten hatte. Zusammen mit den Flusen und den Schmutzkrümeln rollten ein Penny und zwei Pillen heraus. »Ich weiß, dass es schwer für dich ist, mit so gut wie nichts zu wirtschaften, Schatz. Aber es geht nun mal dem ganzen Land schlecht.«
»Wir müssten aber nicht so arm sein. Du hast es dir doch ausgesucht.«
Statt einer Antwort widmete er sich der anderen Seite der Jacke. Seine Finger ertasteten den länglichen Gegenstand, der sich als dünner Zweig von irgendeiner Pflanze herausstellte. Warum hatte der Mann dieses Ding in der Tasche gehabt? Andererseits hatte James auch ein Kleeblatt in der Jacke gefunden, warum also nicht.
»Ich meine ja nur, wenn dir der Schlachter das nächste Mal einen Braten geben will oder der Lebensmittelhändler dir einen Sack Äpfel anbietet, dann nimm es. Nimm es bitte einfach. Wenn sie dir etwas schenken wollen, warum solltest du es zurückweisen?«
Er konnte ein Schnauben nicht unterdrücken. »Schenken? Nennt Walters Frau das so?«
Helen ließ die Jacke auf die Tischplatte fallen und setzte sich wieder hin.
Der Penny aus dem Jahr 1932 wies einen Teerfleck auf der Rückseite auf. Die Pillen waren unterschiedlich, beide rund und weiß, doch auf einer war ein eingestanztes A zu erkennen, und sie hatte einen etwas größeren Durchmesser. »Was sind das für welche?«
»Woher soll ich das wissen?« Helen beugte sich über den Tisch. »Aspirin vielleicht? Frag einen Apotheker.«
Frustriert stieß er den Atem zwischen den Zähnen hervor. »Um diese Uhrzeit haben die doch alle geschlossen.«
»Ja, haben sie. Dann nimm zumindest etwas von denen, die die Lottolose anbieten, oder den – wie nennst du sie noch gleich, die bösen Männer – Luden an, wenigstens deren ›Geschenke‹ könntest du akzeptieren. Sie investieren ja doch nur wieder in ihr Geschäft, wenn du es nicht tust.«
»Oh, das ist aber eine praktische Begründung.«
»Du würdest deinen Sohn also aus purem Stolz hungern lassen?«
Sie hatten dieses Gespräch schon so oft geführt, dass es ihn eigentlich nicht mehr hätte treffen sollen. »Natürlich nicht. Aber Johnny hungert nicht, und es geht hier nicht nur um meinen Stolz.«
»Worum geht es denn dann? Erzähl mir nicht, dass du Angst hast, deinen Job zu verlieren, James, denn dann müssten sie die ganze Truppe feuern. Du wirst wahrscheinlich noch eher entlassen, weil dir deine Vorgesetzten nicht trauen, weil du nicht bist wie sie.«
Helen war nicht dumm.
Vielleicht bin ich es, dachte James, unfähig zu beschreiben, was er eigentlich sagen wollte. »Es ist nicht der Stolz – nicht nur. Wenn ich wie
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