Flammenbraut

da trat er schon wieder an sie heran, bis sie nur noch sein blaues Nadelstreifenhemd sah.
    »Machen Sie sich keine Mühe, es ist mir egal, wer dahintersteckt. Aber ich sage Ihnen eins: Es geht hier um ein sehr wichtiges Projekt. Äußerst wichtig. Wenn mir Ihre Abteilung also auch nur ein weiteres Problem bereitet, wenn Sie dieses Projekt noch einmal stören, dann werden Sie nie wieder einen Job in diesem County bekommen. Verstanden?«
    Zu überrascht, um eingeschüchtert oder auch nur wütend zu reagieren, antwortete sie: »Ja. Und ich bin mir sicher, dass sich Officer Miller posthum dafür entschuldigen wird, dass er sich in einem Gebäude hat umbringen lassen, das Sie verkaufen wollen.«
    Verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen, als er überlegte, was diese Worte wohl mit ihm zu tun haben konnten. Als es ihm offensichtlich nicht gelang, drehte er sich um und verließ den Raum. Leo eilte ihm hinterher und rief über den Flur: »Wir freuen uns, dass wir Ihnen behilflich sein konnten, Stadtrat Greer.«
    Theresa wartete darauf, dass sich ihr Herzschlag wieder beruhigte. »Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich an Ihrer Stelle gesprochen habe, James«, flüsterte sie. »Aber ich fand es angemessen.«
    Irgendwo im Jenseits kicherte James Miller, da war sie sich ganz sicher.
    Sie setzte sich an den Konferenztisch, um den Zeitungsartikel zu lesen. Brandon Jablonski hatte ihn nicht geschrieben, auch wenn sein Name mit auftauchte. Doch der Ton und die unterschwellige Begeisterung für die Torso-Morde klangen ganz nach ihm.
    Der Artikel begann mit einer kurzen Zusammenfassung der Morde und ihrer Auswirkung auf Cleveland während der Depression. Nach dem sechsten Mord waren fünfundzwanzig Detectives Tag und Nacht mit den Ermittlungen befasst gewesen, so viele wie noch nie in der Geschichte Clevelands. Sie untersuchten jede Meldung über vermisste oder verdächtige Personen, verfolgten jedes Stück Kleidung, das bei den Leichen gefunden wurde, zurück, überprüften jede noch so triviale, rachsüchtige Anzeige, die gegen Ehemänner, Arbeitskollegen oder Nachbarn erstattet worden war. Die Stadt zählte darauf, dass der große Eliot Ness den Fall löste, doch er nahm nie selbst die Zügel in die Hand, sondern widmete sich einem ausgedehnten Fall von Korruption bei der Polizei, der in dreizehn Verurteilungen, zweihundert Suspendierungen und einem Heer von Neuordnungen und Rücktritten resultierte. Eine andere Autoritätsperson stellte sich stattdessen an die Spitze der ganzen Informationen, die sich über den Killer angesammelt hatten: der schmächtige, gelehrte Leichenbeschauer des Countys, Dr. Samuel Gerber. Der Fall hatte ihn fasziniert.
    Wie immer musste Theresa bei der Erwähnung seines Namens lächeln. Ihre erste Vorgesetzte in der Spurensicherungsabteilung, Mary Cowan, hatte mit Dr. Gerber während der berüchtigten Sam-Sheppard-Verhandlung zusammengearbeitet.
    Weder ein berühmter Mann noch die Heerscharen an Polizeikräften konnten den Torso-Mörder aufspüren, doch spiegelt dies keineswegs ihre Fähigkeiten oder ihre Entschlossenheit wider. Der Torso-Mörder hat sich allen Versuchen einer Festnahme widersetzt, weil er sich nicht wie die Serienmörder im Fernsehen verhielt. Er richtete sich bei der Auswahl und Beseitigung der Opfer nicht nach strengen Vorgaben. Er tat nichts, um sein Vorgehen vorhersehbar zu machen, damit ein Team gut gekleideter Ermittler noch vor der letzten Werbeunterbrechung eingreifen konnte. Niemand hätte ihn erwischen können, es sei denn aus purem Glück.
    Die Depression hatte diese Industriestadt hart getroffen, und fast ein Viertel der Bevölkerung war von staatlicher Unterstützung abhängig. Es war Aufgabe des Jugendbewährungshelfers Gabriel Beck, den jüngsten Opfern dieser Krise zu helfen, den Kindern, die man heute als »gefährdet« bezeichnen würde.
    Sein Sohn, Joseph Beck, schlug ebenfalls eine Polizeilaufbahn ein, patrouillierte auf den Straßen Clevelands in der Hochkonjunktur nach dem Krieg und erlebte die Geburt des Rock’n’Roll.
    Seine Enkelkinder haben die Familientradition fortgeführt. Einer ist ein Cop, die andere eine forensische Wissenschaftlerin, um die modernen Verbrecher noch effektiver dingfest machen zu können. Die Bürger hoffen, dass diese beiden nicht nur die blauen Augen ihrer Vorfahren geerbt haben, denn sie werden alles benötigen, um ihren neuesten Fall zu lösen: ein kürzlich entdecktes Opfer desselben Torso-Mörders, der sich in Cleveland all