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Flammenbraut

Flammenbraut

Titel: Flammenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Black
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durchquert, die elegant ausgestattet war mit abwaschbaren, aber teuer wirkenden Vinylmöbeln, und sah sich jetzt in dem Zimmer um, das Irene mit einer schnarchenden, bettlägerigen Dame teilte. Das Bett und der Nachttisch passten zum Rest des Altersheims, doch Irene musste auch eigene Möbel mitgebracht haben, inklusive eines kunstvoll verzierten Bücherregals, das vollgestopft war mit Krimskrams, Büchern und Fotos. Das Zimmer und das ganze Gebäude hatten einen eigenen Geruch, nicht unangenehm, eher wie Luft, die einmal zu oft gefiltert worden war, ohne dass man frische Luft von draußen zugeführt hätte. »So schlecht sieht es nicht aus.«
    »Ist es auch nicht«, sagte die alte Dame. »Man muss ja irgendwohin. Es ist allerdings nicht billig.«
    »Wie haben Sie es finanziert? Aus dem Erlös eines Banküberfalls?«
    Irene Schaffer Martin lachte, kein damenhaftes Kichern, sondern ein herzhaftes Lachen, das ihre immer noch fleischigen Schultern schüttelte. Sie hatte braun gefärbtes Haar, das ihr glatt bis zum Kinn fiel und dann im Stil der Fünfzigerjahre nach außen gedreht war. »So in etwa. Sie arbeiten also mit Leichen?« Sie saß zwar in einem Rollstuhl, streckte jedoch einen Knöchel aus.
    »Ja.«
    »Ich habe viele davon im Krieg gesehen.« Die schlaffe Haut an ihrem Hals folgte ihrem Kinn, als sie den Kopf schüttelte.
    »Zweiter Weltkrieg?«
    »Ja. Ich wäre beinahe auch nach Korea gegangen, aber damals hatte ich gerade mein erstes Kind, meine Tochter, bekommen, die ich ja schlecht hätte mitnehmen können, nicht wahr?«
    Theresa hatte so viele Fragen, dass sie gar nicht wusste, wo sie anfangen sollte, doch es war sicher nicht schlecht, sich langsam an das Thema, wegen dem Irene sie angerufen hatte, heranzutasten. »Wann haben Sie sich der Armee angeschlossen?«
    »Als sie unseren verdammten Hafen bombardiert haben. Jeder hat es damals getan. Möchten Sie vielleicht Tee, meine Liebe?«
    Theresa blickte aus dem Fenster. Draußen regnete es leicht, ihre Schultern waren von den wenigen Schritten zwischen Auto und Gebäude noch feucht. Außerdem hatte sich ihr Herzschlag nach dem Fund von zwei Leichen immer noch nicht wieder vollkommen beruhigt. »Das wäre wunderbar.«
    Irene Martin füllte einen Pyrex-Messbecher mit Wasser und stellte ihn in eine kleine Mikrowelle. Während diese summend ihren Dienst verrichtete, holte Irene zwei Tassen und Untertassen mit Goldrand und Blumenmuster hervor und beantwortete weiter Theresas Fragen. »Auch wenn ich nicht sagen kann, dass meine Entscheidung rein patriotischer Natur war. Ich war einundzwanzig, alle meine Freundinnen waren verheiratet oder verlobt – hat Ihnen Ihre Mutter je erzählt, dass die Jungs mit unartigen Mädchen ihre Spielchen treiben, sie aber nie heiraten?«
    »Ja.«
    »Nun, sie hatte recht. Auch wenn ich eigentlich kein schlechtes Mädchen war – verglichen mit den Kindern heutzutage war ich eine Heilige.«
    Die Mikrowelle gab ein lautes Pling von sich, und Irene rollte hinüber, um den Becher mit Wasser herauszunehmen. Dann bereitete sie aus einem Teebeutel zwei Tassen Tee zu und schob eine Theresa hin, die normalerweise Zucker und Sahne in ihren nahm und ihn auch lieber aus einer Tasse trank, die sie vorher selbst abgewaschen hatte. Stattdessen konzentrierte sie sich auf das zierliche Blumenmuster.
    »Aber ich konnte recht wild sein. Mein Vater ist abgehauen, hat meine Mutter, mich und meinen kleinen Bruder alleingelassen. Das taten viele Männer während der Depression. Die Scham war zu groß, keinen Job zu haben, nicht für die Familien sorgen zu können. Damals hatte noch keiner von Sozialhilfe gehört, und die Wohlfahrt war nur etwas für die ganz Armen oder Gebrechlichen.«
    Theresa nippte an ihrem Tee und nickte.
    »Meine Mutter hat im Gemischtwarenladen gearbeitet, die Regale gefüllt, Sachen gehoben, die für sie viel zu schwer waren. Wir sind zu ihrer Schwester gezogen und haben dort unter dem Dach gewohnt, womit wir zwar ein tropfendes, aber immerhin ein Dach über dem Kopf hatten. Wir mussten meiner Tante fünfzig Cent Miete die Woche bezahlen, was ich als Kind ganz schön schäbig der eigenen Schwester gegenüber fand, aber meine Tante musste selber drei Kinder durchbringen, und sie hätte den Dachboden für dreimal so viel Geld vermieten können.«
    Theresa sagte: »Miss Martin …«
    »Nennen Sie mich ruhig Schaffer. Es ist ein guter Name. Und ich komme gleich zum Punkt, ich bin nicht senil, wissen Sie, ich versuche nur zu erklären,

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