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Flammenbraut

Flammenbraut

Titel: Flammenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Black
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gesetzt. Das war keine bewusste Entscheidung gewesen; da seine Mutter ihn nicht mehr zwingen konnte, hatte er einfach aufgehört, in die Kirche zu gehen. Helen ging selbst auch selten, und wenn, dann nur als gesellschaftliches Ereignis.
    Im Inneren merkte James, dass er Kirchen immer noch mochte, die hohen Bögen über ihm, die Glasfenster, die selbst im kalten Winterlicht leuchteten, die Stille. Vor allem die Stille.
    Sie fanden den Priester in der Sakristei. Vater Donatello hatte sich bereits seines Ornats entledigt und trug nun einen dicken Pullover sowie einen Mantel. Sein Atem war beim Sprechen deutlich zu sehen. »Was kann ich für Sie tun, Gentlemen?«
    Die beiden Polizisten erklärten, warum sie so viel wie möglich über Flo Polillo in Erfahrung bringen mussten.
    »Fragen Sie am besten die Damen in der Küche«, sagte der grauhaarige Mann, als er sie zu dem großen Gebäude hinter der Kirche führte. »Aber es kommen so viele Leute hierher und bitten um Hilfe. Manchmal geben wir an einem einzigen Tag an achthundert Leute Essen aus.«
    Eine schwere Tür öffnete sich in einen großen Raum mit blickdichten Fenstern und abgetretenem Linoleum. Es roch nach gedünstetem Kohl und ungewaschenen Körpern. Tische und nicht zueinander passende Stühle standen herum, auf den meisten von ihnen saßen Männer. Einige Frauen und Kinder fanden sich zwischen ihnen. James’ Blick blieb an einem viel zu dünnen Kleinkind hängen, das auf dem Schoß seiner Mutter saß. Ihre langen Wimpern und der Porzellanteint standen im Gegensatz zu dem mehrfach geflickten und schmutzigen Mantel. Die Kleine griff nach einem Brötchen, doch ihre Mutter hielt es außer Reichweite und brach das harte Gebäck in kleinere Stücke, die sie ihrer Tochter nach und nach gab. Entweder, um sie vor dem Ersticken zu bewahren, oder um die Mahlzeit in die Länge zu ziehen. Das Kind stopfte sich jeden Brocken in den Mund und kaute konzentriert. Der Vater, hohläugig und mit wütend verzogenem Gesicht, bemerkte James’ forschenden Blick und starrte ihn böse an, bis er sich abwandte.
    Du würdest deinen Sohn aus Stolz hungern lassen …
    Würde er das?
    Der Priester führte sie zur Küche. »Wir wissen nie von einem Tag auf den anderen, was man uns zukommen lässt. Manche Lebensmittelhändler sind großzügig mit altem Brot und Fleisch, aber es ist unglaublich schwer, vernünftiges Gemüse zu bekommen, vor allem im Winter. Alles ist schwieriger im Winter. Wir heizen nur auf dem absoluten Minimum, um Geld zu sparen, doch dafür haben wir mehr Menschen zu versorgen.«
    »Warum?«, fragte Walter. »Weil sie in den Baracken in der Kälte erfrieren?«
    »Nein, weil es zu viele von ihnen gibt. Sobald der See zufriert, schließt der Hafen für den Winter, wodurch viele Jobs verloren gehen. Darüber hinaus haben einige Stahlwerke und Autofabriken in Detroit geschlossen, und die Arbeiter kommen hierher. Geht es um die arme Frau, die man in der Gasse gefunden hat?«
    »Was halten Sie von einem solchen Bas… einem solchen Mann, Vater?« Walter überraschte James mit dieser Frage. »Ist er vom Teufel besessen oder nur ein verkommenes Subjekt?«
    »Mein Sohn, man stellt mir diese Frage immer wieder, und ich habe noch nicht die richtige Antwort darauf gefunden. Ich denke, es ist eine Kombination aus beidem.«
    Er stellte die beiden Polizisten drei Frauen vor, die ähnlich praktische Kleidung trugen, sonst aber vollkommen unterschiedlich waren: ein Teenagermädchen mit stumpfem, pockennarbigem Gesicht, eine Frau von etwa dreißig mit Pfirsichwangen, außerdem eine Matrone mit Raubvogelgesicht. Keine erinnerte sich an Flo Polillo.
    »Nun, dennoch danke, meine Damen …«, begann Walter.
    James unterbrach ihn. »Vater, was ist das?« Er deutete auf drei große Kisten, auf die mit weißer Farbe geschrieben stand: Männer, Frauen und Kinder.
    »Hier kommt gespendete Kleidung rein. Die Damen geben sie nach Größe und Bedarf ab. Nichts bleibt lange hier.«
    Auf dem Haufen mit Frauenkleidung lag ein hellblaues Sommerkleid, zu kalt für diese Jahreszeit und zu schick für den täglichen Gebrauch. Eine reiche Frau musste ihren Kleiderschrank aussortiert haben.
    James holte ein Foto von der blauen Jacke des ersten Opfers hervor. Er erklärte kurz, warum sie nach dem Besitzer des Kleidungsstückes suchten. Die Leute an den benachbarten Tischen achteten nicht auf das Gespräch, sondern widmeten sich voll und ganz ihrem Essen.
    Der Priester erwiderte: »Selbst wenn die Jacke zu uns

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