Flammenbrut
Balkontüren des Wohnzimmers standen weit offen. Dahinter lag der überwucherte und ungepflegte Garten. Jemand
hatte einen symbolischen Versuch unternommen, das Gras zu mähen, und ein kahles Viereck in der Mitte des knöcheltiefen Rasens
hinterlassen. Über eine Ecke der hohen, zerbröckelnden Ziegelsteinmauer, die das Haus vor seinen Nachbarn abschirmte, hingen
die schweren Zweige eines Goldregens.
Als die Kinder Kate erkannten, rannten sie sofort auf sie zu. Emily, die älter und schüchterner war, hielt ihr das Gesicht
zum Kuss hin, aber Angus, noch immer ein wenig unsicher auf den Beinen, wollte hochgehoben werden. Sein Gesicht war orangefarben
verschmiert von dem Wassereis, das er mit einer Faust umklammert hielt.
Jack stand an einem selbstgebauten Grill aus Ziegelsteinen. Die grauschwarzen Holzkohleklumpen, denen er mit einem Stück Holz
heftig Luft zufächelte, kullerten qualmend hin und her. Er trug ein schmutziges weißes T-Shirt , und seine behaarten Beine ragten unter knielangen Shorts hervor. Schwitzend und mit hochroten Wangen grinste er sie an.
«Hallo, Kate! Schnapp dir ein Bier. In der Küche gibt’s auch Wein, wenn dir das lieber ist.»
|93| «Bier ist schon in Ordnung, danke.» Kate setzte Angus wieder auf den Boden, trat zu der Kühlbox neben dem Grill und nahm sich
eine gekühlte Flasche Bier heraus. Sie öffnete sie und trank. Erst als sie die kalte Flüssigkeit schmeckte, wurde ihr klar,
wie durstig sie war.
«Du gibst wirklich ein tolles Bild ab! Piekfeine Klamotten und Bier aus der Flasche trinken!», sagte Lucy, als sie durch die
Balkontür kam. «O Gott, du hast Angus an dich rangelassen. Dein ganzer Rock ist mit Orangeneis verschmiert.»
Kate musterte die Flecken auf dem cremefarbenen Stoff. Auch auf ihrem ärmellosen weißen Top entdeckte sie einen orangefarbenen
Klecks. Es war ihr egal. «Das geht wieder raus.»
Lucy sah sie an. «Meine Güte, das muss aber wirklich gut gelaufen sein!» Sie führte Kate zu einem Tisch mit einer Reihe von
Plastikstühlen, die im Schatten des überhängenden Goldregens standen. Emily kam mit ihnen.
«Geh und hilf Daddy, Emily, sei ein braves Mädchen», sagte Lucy zu ihr.
«Angus kann Daddy helfen», entgegnete das kleine Mädchen und kletterte auch schon auf einen Stuhl neben Kate.
«Angus wird ihm bloß im Weg stehen. Na, mach schon, du kannst Kate noch den ganzen Abend auf die Nerven gehen, aber jetzt
will Mami erst mal mit ihr reden.»
Mit einem enttäuschten Maulen glitt Emily vom Stuhl herunter und trottete zum Grill zurück.
«Meinetwegen kann sie ruhig hierbleiben», sagte Kate.
«Aber meinetwegen nicht. Ich habe sie noch nicht aufgeklärt, und ich möchte nicht, dass sie plötzlich im Supermarkt fragt,
was ‹Sperma› bedeutet.» Lucy lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. «Also. Was ist passiert?»
|94| Kate bemühte sich um einen gelangweilten Tonfall. «Sie sagte, es gäbe da keine Probleme.»
«Einfach so?»
«Mehr oder weniger. Ich muss auf die Ergebnisse der Blutuntersuchungen und das alles warten», sagte sie und hob den linken
Arm, um das Pflaster vorzuzeigen, das die Schwester auf den Nadeleinstich geklebt hatte. «Aber wenn die Ergebnisse in Ordnung
sind, kann es losgehen.»
«Und sie sind bereit, jeden Spender zu benutzen, den du dir aussuchst?»
«Das haben sie gesagt, ja.»
Lucys Gesicht zeigte deutlich, was sie davon hielt. «Also würden die im Grunde jeden schwängern, der darum bittet.»
«Das würden sie natürlich nicht.» Kate spürte, wie ein leiser Ärger sich in ihre gute Laune mischte. «Schon gar nicht, wenn
es um eine alleinstehende Frau geht, wie in meinem Fall. Man muss sie davon überzeugen, dass man in der Lage ist, ein Kind
allein großzuziehen. Sowohl gefühlsmäßig als auch finanziell. Und sie wollten wissen, wie ich damit fertig werden würde, gleichzeitig
zu arbeiten und Mutter zu sein.»
Das Wort «Mutter» ließ sie innerlich erbeben. Es schien eine vollkommen neue Bedeutung anzunehmen. Sie räusperte sich. «Ich
habe ihr – also, der Beraterin – gesagt, dass ich einen Großteil der Arbeit wahrscheinlich von zu Hause erledigen oder das
Baby sogar mit in die Agentur nehmen könnte. Später würde ich wohl darüber nachdenken müssen, mir für einen Teil der Zeit
eine Kinderkrippe zu suchen.»
Lucy schnaubte. «Du hast das arme Würmchen noch nicht mal zur Welt gebracht und willst es schon weggeben.»
|95| «Ich bin bloß realistisch. Du wärst
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