Flammenbrut
deren Zweige über den mit Steinsäulen gesäumten Weg hingen. Die stacheligen gelben Kastanienschalen waren
bereits deutlich zwischen den breiten Blättern zu erkennen.
«Alles in Ordnung?», fragte Kate.
Alex nickte, ohne sie anzusehen. «Ja, natürlich.»
Das Sonnenlicht fiel durch das dichte Blätterwerk auf Kates nackte Arme.
«Sie sind doch einverstanden, oder?», fragte Alex plötzlich. «Ich hatte einfach nicht damit gerechnet, dass ich … Sie wissen schon, dass ich heute anfangen müsste.»
«Es ist schon gut, ich habe auch nicht damit gerechnet. Kommen Sie einfach, wann es Ihnen passt.»
Sobald sie diese Worte ausgesprochen hatte, wurde sie |158| sich ihrer Doppeldeutigkeit bewusst und fuhr hastig fort, um ihre Verlegenheit zu kaschieren. «Ich meine, ich weiß, dass Sie
die Fahrten hier heraus mit Ihrer Arbeit abstimmen müssen und so weiter. Ich möchte nicht, dass Sie mehr Unannehmlichkeiten
haben, als unbedingt nötig ist.»
Er zuckte die Achseln. «Da wird es keine Schwierigkeiten geben.»
Das Dröhnen eines Motors wurde hörbar. Ein Taxi fuhr den Hügel hinauf auf die Klinik zu. Als es näher kam, traten sie unter
dem Baum hervor, aber es fuhr vorbei, ohne anzuhalten. Das Geräusch des Motors verlor sich in der Hitze. Ein oder zwei Sekunden
lang standen sie am Rand des Gehsteigs und starrten dem Fahrzeug nach, bevor sie wieder in den Schatten des Baums zurückkehrten.
«Was halten Ihre Eltern davon? Von dem, was Sie tun wollen?», fragte Kate.
«Meine Eltern?» Alex schien erschrocken zu sein. «Oh … ich habe es ihnen nicht erzählt.»
«Werden Sie es ihnen denn erzählen?»
«Nein, ich glaube nicht.»
«Wären sie nicht einverstanden?»
Er blickte durch die Blätter nach oben und blinzelte in das grelle Licht. «Nein.» Dann fügte er hinzu, als hätte er das Gefühl,
diese Worte würden nicht genügen: «Sie sind nicht prüde, das wollte ich damit nicht sagen, und sie hatten immer Verständnis
für mich. Aber so etwas … Na ja, Sie wissen schon.»
«Sie werden es also niemandem erzählen?»
Er schwieg für einen Augenblick. «Ich würde es meiner Großmutter erzählen, wenn sie noch lebte. Sie würde sich freuen. Aber
sonst niemandem, nein.»
Kate sah, dass sich ein kleiner Zweig in seinem Haar verfangen |159| hatte. Beinahe hätte sie die Hand ausgestreckt und ihn herausgezogen, aber sie hielt sich zurück. «Sie haben sich sehr nahe
gestanden?»
Alex nickte geistesabwesend. Dann sah er sie besorgt an. «Nicht dass ich meinen Eltern nicht auch nahestünde. Diesen Eindruck
möchte ich auf keinen Fall erwecken. Es ist nur so, dass meine Großmutter …» Ein wenig verlegen zuckte er die Achseln. «Nun ja, sie war etwas Besonderes.»
Ein weiteres Taxi näherte sich der Klinik. Diesmal warteten sie, bis es blinkte, an den Wegrand fuhr und stehenblieb.
«Ich glaube, das ist unseres», sagte Kate. «Es bringt uns zum Bahnhof.»
Auf dem Weg zurück nach London schwiegen sie die meiste Zeit. Alex saß ihr gegenüber, blickte aus dem Fenster und schaukelte
im Rhythmus des ratternden Zuges leicht hin und her. Seine Augen waren müde, die Lider halb herabgesunken, zum Schutz vor
dem Sonnenlicht, das schräg durch die Fensterscheibe fiel. Er sah sehr verletzlich aus, fand Kate, und viel jünger als vierunddreißig.
Ein plötzliches Schlingern des Zuges riss ihn aus seiner Versunkenheit. Er drehte sich um und ertappte sie dabei, wie sie
ihn beobachtete, noch ehe sie den Blick abwenden konnte. Sie lächelte.
«In Ihrem Haar hat sich ein kleiner Zweig verfangen», sagte sie.
Er sah sie verständnislos an. Sie zeigte auf seinen Kopf. «Sie haben einen kleinen Zweig im Haar.»
«Oh. Ja.» Er zog ihn heraus. «Vielen Dank.»
Er sah sich um, suchte offensichtlich nach einem Platz, wo er den Zweig ablegen konnte. Sie spürte, wie er über die Sitzbank,
den Tisch und den Boden nachdachte, bevor |160| er das kleine Stückchen Holz schließlich in seine Tasche steckte.
«Kein Mülleimer», erklärte er mit verlegenem Lächeln.
Kate verbarg ihre Erheiterung, indem sie ihre Tasche öffnete. Sie zog einen weißen Umschlag heraus und reichte ihn ihm.
«Dadrin ist ein Scheck zur Deckung Ihrer Unkosten», sagte sie. «Ich habe erst mal die Bahnkosten für fünfzehn Besuche zugrunde
gelegt, plus Taxi zu beiden Bahnhöfen und wieder zurück.»
Alex nahm den Umschlag entgegen, öffnete ihn aber nicht.
«Wenn Sie ausrechnen wollen, wie viel ich Ihnen
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