Flammenbrut
sprach.
«Für mich schon.»
|226| Seine Stimme klang kehlig. Kate ließ die Kette los. Außerstande, ein Wort zu sagen, legte sie den Kopf auf seine Brust und
war dankbar, dass er die Feuchtigkeit auf ihren Wangen nicht sehen konnte.
Später konnte sie sich nicht erklären, warum sie ihm nicht gesagt hatte, wann genau das Ergebnis des Tests kommen würde. Der
Arzt hatte ihr mitgeteilt, an welchem Tag sie anrufen solle, aber irgendetwas veranlasste sie nun, Alex gegenüber nichts davon
zu erwähnen. Sie redete sich ein, dass sie ihn überraschen wollte, dass sie ihn in dem Glauben lassen wollte, sie würden es
erst später in der Woche erfahren. Aber sie wusste, dass sie in Wahrheit einen egoistischeren Grund hatte.
So viel wenigstens wollte sie für sich behalten.
An dem Morgen, als sie wegen der Testergebnisse beim Arzt anrufen sollte, frühstückten sie zusammen an ihrer engen Frühstückstheke
in der Küche. Alex musste vor ihr aufbrechen, und Kate küsste ihn zum Abschied und sah ihm nach, wie er die Treppe zur Haustür
hinunterging. Am Fuß der Treppe drehte er sich noch einmal um und winkte, und als sie ihn grinsend und mit zerzaustem Haar
dort unten stehen sah, hätte Kate um ein Haar nachgegeben und es ihm erzählt. Dann aber ging er aus dem Haus und schloss die
Tür, und es war zu spät.
Auf dem Weg zur Arbeit überfiel sie ein seltsames Gefühl, eine Mischung aus Hoffnung und etwas, das fast an Panik grenzte,
und beide Gefühle schoben sich übereinander, bis Kate nicht mehr zu sagen vermochte, was das eine und was das andere war.
Sie nahm ihre Umgebung kaum wahr. Erst als sie in dem allmorgendlichen Aufruhr bei King’s Cross aus der U-Bahn trat, wurde sie mit einem Ruck aus ihrer Selbstvergessenheit gerissen. Ein Feuerwehrauto jagte |227| in einer Kakophonie aus schrillem Lärm und einem Rausch greller Farbe an ihr vorbei. Kate sah ihm nach und hatte einen Augenblick
lang das Gefühl, genau das schon einmal erlebt zu haben. Aber noch während sie versuchte, der Erinnerung habhaft zu werden,
entzog sie sich ihrem Zugriff, wurde substanzlos wie Rauch.
In der Arztpraxis hatte man ihr gesagt, sie solle nach elf anrufen. Sie wartete bis zwei Minuten nach elf, griff dann zum
Hörer ihres Bürotelefons und wählte die Nummer des Arztes. Die Helferin ließ sich ihre Daten durchgeben und bat sie, einen
Augenblick zu warten. Ein fröhliches elektronisches Geklimper zur Überbrückung der Wartezeit erklang. Als es aufhörte, spannte
Kate sich an, aber es war nur an das Ende seiner Wiederholungsschleife gelangt. Eine Sekunde später fing es von Neuem an,
so eintönig wie das Bimmeln eines Eiswagens. Die Melodie wurde zweimal von Anfang bis Ende durchgespielt und brach dann abrupt
ab.
«Miss Powell?», erklang die Stimme der Helferin. «Ihr Test ist positiv.»
Kates Mund war trocken geworden. «Positiv? Dann bin ich also schwanger?»
«Dem Test nach ja.» Nach einer kurzen Pause fügte die Frau hinzu: «Meinen Glückwunsch.»
Die Worte kamen ohne echtes Gefühl, aber das war nicht wichtig für Kate. Sie dankte der Helferin und legte auf. Sie ließ sich
in ihren Stuhl zurücksinken und horchte in sich hinein. Nein, bisher fühlte sie sich nicht anders als sonst, und doch hatte
sie gleichzeitig den Eindruck, ein vollkommen anderer Mensch zu sein. Ein übermächtiges Gefühl stieg in ihr auf, das sie jedoch
nicht hätte benennen können.
Mit einem Mal war der Drang, es Alex zu erzählen, unerträglich. Sie hatte ihn noch nie zuvor bei der Arbeit angerufen, |228| ganz im Sinne der Bitte, die er gleich bei ihrer ersten Begegnung ausgesprochen hatte. Jetzt aber holte sie seine Visitenkarte
aus ihrer Brieftasche und wählte die Nummer seines Büros. Eine Frau meldete sich.
«Ealing Center.»
«Könnte ich bitte mit Alex Turner sprechen?»
«Dr. Turner hat im Augenblick einen Patienten da. Wollen Sie eine Nachricht hinterlassen?»
Kate zögerte. «Nein, es ist nicht wichtig. Vielen Dank.»
Sie legte den Hörer auf die Gabel. Aber der Drang, ihre Neuigkeit mit ihm zu teilen, war zu heftig, als dass sie ihn hätte
ignorieren können. Also nahm sie einen Faxbogen aus ihrer Schublade und dachte einen Augenblick lang nach. Sie wollte die
Nachricht so formulieren, dass Alex sie verstehen würde, aber nicht irgendjemand, der das Fax zufällig in die Hände bekam.
Grinsend griff sie nach einem Stift. «Der Christophorus deiner Großmutter hat funktioniert!»,
Weitere Kostenlose Bücher