Flammenbrut
Seite ihres Bettes bewusst, während sie den nächtlichen
Geräuschen der Wohnung lauschte.
Irgendwann fiel ihr der Tisch ein, den sie im Wohnzimmer immer noch nicht abgedeckt hatte, und der Gedanke, ihn unverändert
im grauen Morgenlicht vorzufinden, war plötzlich unerträglich. Sie stand auf und räumte Geschirr und Gläser ab, ohne das Licht
einzuschalten; brachte die ganze Prozedur im Halbdunkel hinter sich, sodass sie nicht sehen musste, was sie tat.
Das Tageslicht und die Normalität der üblichen Menschenmengen zur Hauptverkehrszeit hatten etwas Beruhigendes. Hastig ließ
Kate King’s Cross hinter sich; der Regen trommelte auf ihren Schirm und spritzte gegen ihre Beine. Sie hatte sich selbst das
Versprechen abgerungen, dass sie gleich als Erstes noch einmal in der Klinik anrufen würde, wo Alex arbeitete. Schließlich
musste das Telefon mittlerweile wieder funktionieren, und irgendjemand würde sicher wissen, was ihm zugestoßen war; würde
ihr zumindest sagen können, ob es ihm gutging. Getrieben von angstvoller Erwartung, hastete sie durch die vom Regen überspülten
Straßen.
|232| Die Tür der Agentur war unverschlossen. Sie öffnete sie und ging rückwärts hindurch, um auf der Schwelle noch das Wasser von
ihrem Regenschirm zu schütteln. Als sie die Tür endlich schloss und sich umdrehte, bemerkte sie, dass Clive sie ansah. Zwei
Männer waren bei ihm im Büro.
«Hier möchte dich jemand sprechen», sagte Clive mit seltsam ausdrucksloser Stimme. Einer der beiden Männer trat vor.
«Miss Powell?»
Er war ein großer, kräftig gebauter Mann von etwa fünfzig Jahren mit kurzem grauem Haar, das auf dem Scheitel langsam dünn
wurde und einen erstaunlichen Gegensatz zu seinen dichten schwarzen Augenbrauen darstellte. Sein Tweedmantel roch wie ein
nasser Hund. Der andere Mann war jünger und trug einen blauen Nylonanorak. Er hielt sich im Hintergrund.
Kate sah Clive an, aber dessen Gesicht verriet ihr nicht das Geringste. Sie nickte.
«Ja?»
«Ich bin Detective Inspector Collins. Das ist Sergeant Daikin. Hätten Sie wohl ein paar Minuten Zeit für uns?»
Ein flaues Gefühl hatte sich in ihrem Magen breitgemacht. «Kommen Sie mit hinauf in mein Büro.»
Sie ging den beiden Männern voran die Treppe hinauf und hatte sich immerhin so weit in der Gewalt, dass sie ihnen Tee oder
Kaffee anbot. Beide lehnten höflich dankend ab. Sie setzten sich ihr gegenüber auf die andere Seite des Schreibtisches. Der
Ältere der beiden öffnete seinen Mantel und enthüllte darunter einen zerknitterten braunen Anzug. Sein gewaltiger Bauch spannte
das Hemd über dem Hosenbund.
Der jüngere Mann nahm ein Blatt Papier aus dem Aktenordner, |233| den er bei sich trug, und reichte es ihm. Der Inspector warf einen kurzen Blick darauf und gab es an Kate weiter.
«Können Sie mir sagen, ob Sie das abgeschickt haben?»
Es war eine Fotokopie jenes Faxes, das sie Alex am Vortag geschickt hatte. Kate kämpfte gegen die Panik, die in ihr aufwallte.
«Ja, ich habe es gestern geschickt.»
«Sie kennen Dr. Turner also?»
Das flaue Gefühl in ihren Gedärmen hatte sich so weit verschärft, dass sie kaum noch atmen konnte. «Ja. Hören Sie, was ist
denn passiert?»
«In welcher Beziehung haben Sie zu ihm gestanden?»
«Ich bin eine … eine Freundin. Bitte, sagen Sie mir, geht es ihm gut?»
Die Stimme des Inspectors hatte einen sachlichen Klang.
«Es tut mir leid. Er ist tot.»
Es war, als hätte sich der Luftdruck in dem Raum plötzlich geändert. Sie hörte ein Tosen in ihren Ohren. Sie sah, dass der
ältere Mann sie mit besorgter Miene beobachtete, und bemerkte, dass sie auf ihrem Sessel schwankte. Sie stützte beide Hände
auf den Schreibtisch, damit das aufhörte.
«Wie?» Sie war sich nicht sicher, ob sie die Frage laut ausgesprochen hatte, aber sie musste es wohl getan haben, denn der
Inspector antwortete.
«Man hat ihn gestern Nacht in seinem Büro gefunden. Es gab ein Feuer, und als die Feuerwehr kam, hat man ihn gefunden.»
Er zögerte.
«Wir haben noch keine Autopsieergebnisse, aber es sieht aus, als hätte man ihn erschlagen. Dann hat der Täter die Papiere
aus den Aktenschränken gezogen und versucht, den |234| Raum in Brand zu stecken. Glücklicherweise war er ziemlich in Eile, und das Gebäude ist mit einer Sprinkleranlage ausgestattet.
In alten Gebäuden funktionieren diese Anlagen nicht immer, aber diese war in Ordnung. Sie hat das Feuer gelöscht, bevor es
Weitere Kostenlose Bücher