Flammenbucht
die Gestalt ihre dünnen Arme, »…warum nur hast du mich zurückgelassen, Herr?…warum blieb ich gefangen in diesem toten Felsen?« Ihr Jammern gellte durch die Höhle, »…war diese Nacht so schwarz, so undurchdringlich … lichtlose Träume träumte ich und sah mich tauchen in ein Meer aus Wut… gespeist aus dunkler Quelle, die der Furcht entsprang… war meine Seele so entkräftet, schwach und ohne Mut… ach, wie ich litt und bangte…« »Du besitzt keine Seele! Du bist nichts als mein Schatten, aus mir getrieben durch die Macht der Ewigen Flamme, die mir Unsterblichkeit brachte. Erinnerst du dich nicht an die Stunde, als ich dich formte und dir meinen Namen überließ?« Rumos trat ein Stück zurück und ließ voller Verachtung ein Wort über seine Lippen gehen. »Carputon!«
Der Schrei, den das körperlose Wesen ausstieß, war unmenschlich; rasende Verzweiflung, Hörigkeit und Wahn verzerrten seine Stimme, ließen die Höhle in einer Melodie der Schmerzen erbeben, »…mein Name, ja, mein Name… Carputon nannte mich mein Herr… war ich nicht immer treu, o Rumos?…las ich dir nicht die grausamen Wünsche von den Lippen?…deutete ich nicht den bösen Glanz in deinen Augen, den dein dunkles Herz entflammte? … war ich nicht jener Teil in dir, den du verleugnet hast und den du von dir schnittst wie einen morschen Zweig?« Die Figur streckte dem Zauberer die dürren Arme entgegen. »…Carputon war und bin ich, dein Schatten und dein Joch… geschaffen durch die Flamme, die dich verdarb … verflucht ist mein Herr Rumos, unsterblich Rumos, mein Herr…«
Der Zauberer hatte die Hände erhoben; ein dunkelrotes Glühen hatte seine Finger erfaßt. »Du spürst die Macht der Ewigen Flamme, nicht wahr, Carputon? Sie zwingt dich in meinen Dienst, damals wie heute. Ich kam zurück, weil ich deine Hilfe benötige.«
»…warum hast du mich zurückgelassen, Rumos, mein Herr«, heulte der Geist, »…warum verschwandest du in jener Nacht, hieltest mich gefangen in diesem Kerker?«
»Ich mußte fliehen, nachdem mich Bars Balicor verraten hatte«, antwortete Rumos. »Hier, in dieser Höhle, stieß mir der feige Priester einen Dolch durch die Kehle; und obwohl mich die Kraft der Flamme ins Leben zurückrief, konnte ich nicht verhindern, daß Balicor die übrigen Mitglieder der Bathaquar verhaften und ermorden ließ.« Flammen schlugen zwischen seinen Fingern linken Hand empor. »Morthyl war damit für unsere Gemeinschaft verloren, mein Plan vereitelt. Es blieb mir nichts anderes übrig, als nach Troublinien zurückzukehren, um neue Anhänger für die Bathaquar zu gewinnen. Dich mußte ich zurücklassen, Carputon, denn du bist an diese Höhle gekettet, in der ich die Ewige Flamme empfing; du kannst Morthyl nicht verlassen. Dies ist der Preis, den ich zahlen mußte, um die Kraft der Flamme zu erhalten.« Seine Stimme wurde milder. »Doch nun hat sich vieles verändert. Die Bathaquar ist zur Macht zurückgekehrt und rüstet sich für den Kampf gegen den Weltenwanderer. Die Rote Herrin wird sich aus ihrem Grab erheben, um die Menschheit vor den Einflüsterungen des Feindes zu warnen. Und auch Mondschlund lauert auf eine Gelegenheit, den Kampf um die Sphäre für sich zu entscheiden.« »Das Zeitalter der Wandlung…«, echote Carputon. »… in Gold gegossen bricht der Stein, und goldumflossen stürzt der Narr, der sich erhob zum selbstgewählten Knecht der Macht…«
Rumos Rokariac nickte. »Die Prophezeiung beginnt sich zu erfüllen, doch selbst wir, die wahren Diener Tathrils, begreifen nur Bruchstücke des Wortlauts. Ich muß den zweiten Auserkorenen finden, Carputon - den Jungen, von dem Bathos schrieb, daß er die Rote Herrin befreien werde. Der Weltenwanderer wittert mein Vorhaben; deshalb hat er den Leuchtturm von Fareghi in seine Gewalt gebracht. Ohne die Macht des Turms kann ich Tyran nicht rechtzeitig erreichen. Dann wird der Weltenwanderer den Auserkorenen endgültig in seinen Bann schlagen, und alle Hoffnung ist dahin.« Er starrte eindringlich auf die belebte Zeichnung an der Wand. »Du wirst mir helfen, Carputon! Fremde Mächte halten den Turm besetzt. Sie wollen dem Weltenwanderer Eingang in unsere Welt gewähren.«
»… wie kann ich helfen, mein Herr Rumos«, jammerte der Geist»… ich, der so schwach ist, so unscheinbar… gepeinigt durch die Last der Flamme und ohne jeden Mut… ich, der dich verfluchte und vermißte, dich fürchtete und liebte… wie kann ich helfen gegen einen Feind, der so
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