Flammende Sehnsucht
nicht so erstaunt gucken. Mir ist aufgefallen, dass Sie sie den ganzen Abend beobachtet haben -wenn sie es nicht mitbekam.«
»Ich dachte, ich sei diskret gewesen«, murmelte er.
»Das waren Sie auch, es sei denn, jemand hat sie beide beobachtet - so wie ich es getan habe.« Sie schüttelte den Kopf. »Im Lauf der Jahre habe ich viele Männer meine Schwester beobachten sehen. Die, die sich vor allem für die gute Partie interessierten, wirkten immer ein bisschen ängstlich, ein wenig verzagt. Mitunter hat sie diese Wirkung.«
»Was ich gut nachvollziehen kann«, erwiderte er leise.
»Die, die sich angezogen fühlten, weil sie ihr irrtümlicherweise eine Neigung zum Skandal unterstellten, waren immer selbstgefällig - Jäger, die alle Frauen als Freiwild betrachten. Sie dagegen, Mylord, machen mir gleichzeitig einen faszinierten, selbstbewussten und sehr entschlossenen Eindruck.«
»Mache ich den?« Er lächelte. »Na so was.« - »Und wenn man davon, wie Sie Cassandra ansehen, einmal absieht, gibt es da ja auch noch die Art und Weise, wie Cassandra Sie ansieht.«
»Ach?« Sein Lächeln wurde - wenn überhaupt möglich -noch breiter. »Und wie sieht sie mich denn an?«
»Ich denke, es wäre klug, Ihnen nicht alle Geheimnisse meiner Schwester zu enthüllen, auch wenn ich meine, in Cassies Interesse zu handeln.«
Lady St. Stephens lachte das Lachen ihrer Schwester.
»Diese Unterredung ist sowieso viel zu privat, um in der Öffentlichkeit geführt zu werden, und ich glaube, ich brauche ein wenig frische Luft. Wollen Sie mich nicht auf die Terrasse begleiten?«
»Ich wäre entzückt.«
Er bot ihr seinen Arm und führte sie durch die Glastüren auf Lady Pugets Terrasse hinaus. Dies war nun eine unerwartete und sehr erfreuliche Wendung der Ereignisse. Cassandras Schwester stand offensichtlich auf seiner Seite. Er verstand nicht so ganz, warum, und wusste auch nicht, welche Bedeutung dies hatte. Doch wenn er die Schwester hinter sich hatte, konnte er wohl kaum mehr scheitern. Denn wer kannte Cassandra besser als ihre Zwillingsschwester und würde ihn bei seinem Versuch, ihr Herz zu gewinnen, besser beraten als sie?
Sie hielten am Steinbaluster am Rande der Terrasse, die die lampiongeschmückten Gärten überblickte.
»Eine wunderbare Nacht ist das heute, nicht wahr?«, murmelte Lady St. Stephens. »Sozusagen perfekt.«
Es war in der Tat eine wundervolle Nacht; schon warm genug, um sich wohlzufühlen, barg sie ein Versprechen auf den kommenden Sommer. Der Duft der Frühlingsblüten lag in der Luft. Es war ein herrlicher Abend, um sich im Freien, unter den Sternen aufzuhalten. Nur schade, dass die Frau an seiner Seite die falsche Schwester war.
Lady St. Stephens blickte einen langen schweigenden Moment lang auf die Gärten hinaus, und Reggie widerstand dem Drang zu müßigem Geschwätz. Was immer sie ihm auch sagen wollte, es war zweifellos wichtig, und er konnte warten -wie schwer es ihm auch fiel.
»Mein Mann besitzt die zuweilen enervierende Fähigkeit, alle möglichen Dinge herauszufinden, die anderen zu ent-gehen scheinen. Er kennt Leute, die wiederum andere Leute kennen.« Ihre Worte richtete Lady St. Stephens zwar an ihn, ihr Blick aber blieb auf den Park geheftet. »Bis vor etwa sechs Monaten beispielsweise war der berüchtigte Lord Berkley noch ganz und gar nicht berüchtigt. Ja, Ihr Ruf war nicht unbedingt schlechter als der der meisten Männer Ihres Alters. Sicherlich waren da ein paar Jugendstreiche, aber nichts, was ein vernünftiger Mensch als echten Skandal bezeichnet hätte.«
»Sie scheinen ja eine ganze Menge zu wissen«, meinte er vorsichtig.
»Oh ja. Abgesehen von dem Rennen gegen meinen Bruder zum Beispiel könnten die meisten der Vorfälle, die den ganzen Klatsch und Tratsch genährt haben, stark übertrieben oder sogar frei erfunden sein.«
»So scheint es, nicht wahr?«, meinte er matt.
»Man könnte daraus also schließen, dass Sie, Mylord, aus welchen Gründen auch immer« - sie wandte ihm das Gesicht zu und sah ihn an - »eine Art Hochstapler sind.«
»Ich kann das erklären.«
In Wahrheit aber hatte er keine Ahnung, wie er erklären sollte, was ihm vor so langer Zeit so glänzend an diesem Plan erschienen war. Er fragte sich, ob vielleicht zu viel Brandy im Spiel gewesen war, als er auf das alberne Projekt verfiel - denn wie hätte er sonst glauben können, dass etwas derart Lächerliches wirklich eine gute Idee war? Und offenbar war auch Marcus’ Urteil an jenem Abend stark
Weitere Kostenlose Bücher