Flammende Versuchung
Erleichterung machte sich tief in seinem Innern unter der zitternden Angst um seine Tochter breit, dass er Deirdre nicht so zugerichtet hatte.
Dann wurde ihm die Brutalität dieser Verletzungen bewusst. »So viel Gewalt – du hast dich gewehrt, nicht wahr?«
»Natürlich habe ich mich gewehrt, du dummer Mann! Es war, als würde ich mit dem Taschentuch nach einem Elefanten schlagen. Er hat sich nicht mehr unter Kontrolle!«
Und einfach so war seine Frau zu ihm zurückgekehrt – aber seine Tochter war noch immer weg, irgendwo in der Finsternis, in den Händen eines Irren. Wenn er Vertrauen zu Deirdre gehabt hätte, hätte er sie niemals verloren. Es war nur zu schade, dass er Meggie nicht so leicht zurückbekommen würde.
Deirdre bemerkte es auch. »Du denkst darüber nach, es zu tun.«
Er nahm den Zettel und faltete ihn bedächtig. »Ich habe keine andere Wahl, als dorthin zu gehen und ihn zu treffen, aber du wirst nicht mitkommen.« Er drehte sich um. »Fortescue, macht den Phaeton bereit. Ich fahre selbst.«
Protestierend trat sie vor ihn. »Ich muss aber mit! Er erwartet mich – und ich kann mit ihm reden. Er wird auf mich hören, er liebt mich!«
Calder streckte die Hand aus und streichelte mit den Fingerspitzen ihre blauen Flecke an einem ihrer Oberarme. »Hat er gestern auf dich gehört?« Er schob sich an
ihr vorbei. »Fortescue, ihre Ladyschaft wird hier auf mich warten. Ist das klar?«
»Ja, Mylord.«
»Calder, was hast du vor?« Sie versuchte, an Fortescue vorbeizukommen, der jedoch einfach mit einer Hand ihre Röcke festhielt. Deirdre stieß ihn von sich und versuchte sich freizumachen, aber der Griff des Butlers ließ nicht locker. »Calder! Calder!«
Fünfundvierzigstes Kapitel
I n seinem kleinen, aber ansehnlichen Haus in London erwachte Mr Stickley, weil jemand an seine Tür hämmerte.
Sofort setzte er sich, von Unruhe erfasst, auf. »Brennt es?«
Dann erkannte er das betrunkene Brüllen vor seiner Tür. »Stiiii- hicks -kley!«
Missbilligend kniff er die Augen zusammen und verließ sein gemütliches Bett, ging zur Haustür, um seinen betrunkenen Kompagnon hereinzulassen, bevor die Nachbarn den Nachtwächter alarmierten.
Wolfe hatte ihn schon lange nicht mehr zu Hause besucht, möglicherweise nicht mehr seit ihrer Kindheit. »Was soll das Ganze?«
Wolfe grinste ihn an. »Hab da’n Spiel am Laufen, alter Stick! Bin total pleite, leider.« Er beugte sich vor. »Kann jetzt nich aufhören – bin mitten inner Glückssträhne.«
Stickley schnüffelte. »Warum sind dann deine Taschen leer?«
Wolfe zuckte die Achseln. »Brauch nur’n bisschen, was mich über Wasser hält.«
Wolfe stank nach Alkohol und Frauen und anderen schmutzigen Zeitvertreiben. Stickley wich zurück. »Ich habe nichts hier!« Das stimmte nicht ganz. Er wäre der
Wahrheit näher gekommen, wenn er gesagt hätte: »Ich habe für dich nichts hier!«
Es war nicht überraschend, dass ein gewohnheitsmäßiger Sünder wie Wolfe seine Lüge durchschaute. Er trat auf Stickley zu, und sein Blick war nicht länger der eines liebenswerten Betrunkenen, sondern gefährlich.
»Ich brauch das Geld, Stick. Du bist es mir schuldig, nach allem, was ich diese Woche für uns getan habe.«
»Was hast du gemacht?«
Abrupt wechselte Wolfes Stimmung erneut. »Hab uns den Pickering-Plunder gesichert!«, krächzte er. »Lady Brookhaven wird nicht Herzogin von Brookmoor. Kannst ja keine Herzogin sein, wenn’s keinen Herzog gibt.«
Stickley, der in Erwägung gezogen hatte, Wolfe einfach einen kleinen Teil seines Notgroschens zu geben, damit er sich endlich wieder schlafen legen konnte, ohne dass Wolfes stinkender Körper ohnmächtig auf seinem feinen Teppich lag, wich jetzt argwöhnisch zurück.
»Du hast ihn doch nicht umgebracht?«
Wolfe blinzelte und legte eine Hand vor gespieltem Entsetzen auf die Brust. »Ich? Also, so etwas könnte ich nie tun!« Dann schnaubte er. »Aber Lady Brookhaven hätte vorsichtiger sein müssen, mit wem sie flirtet. Liebestrunkene junge Männer tendieren zu drastischen Taten!«
Stickley wurde eiskalt. »Brookhaven ist tot?«
Wolfe zuckte die Achseln. »Weiß nicht. Ich nehme an, das erfahren wir morgen.« Dann rülpste er, und seine Gesichtsfarbe wurde leicht grünlich.
»Was exakt hast du mit der ganzen Sache zu tun?«
Wolfes Blick wurde glasig. »Nichts, gar nichts. Das war allein der junge Baskin. Er brauchte nur ein bisschen Anleitung von jemandem mit etwas mehr … Lebenserfahrung.«
Stickley
Weitere Kostenlose Bücher