Flammender Himmel
besorgte all die Dinge, die sie heute früh in ihrer Hast, rechtzeitig wieder dazusein, um ihre Glassendung in Empfang zu nehmen, vergessen hatte. Die unerwartete Lieferung hatte ihren sorgfältig geplanten Vormittag vollkommen durcheinandergebracht.
Aber das war’s wert, ganz zweifellos. Die Glasstücke waren exquisit. Schon jetzt begannen sich Bilder in Angels Vorstellung zu formen, von Bergen und vom Meer und vom verborgenen Lächeln eines Mannes.
Vom Supermarkt war’s nur eine kurze Strecke bis zum Ramsey-Haus. Angel beeilte sich trotzdem, denn sie wollte endlich raus aufs Wasser. Obwohl sie und Hawk schon mehrmals mit seiner großen Motorjacht hinausgefahren waren, war dies ihre erste wirkliche Angeltour. Bis jetzt waren ihre Ausflüge nämlich nicht viel mehr als Sightseeingtrips gewesen.
Aber heute, heute würde Angel Hawk endlich zeigen können, was es hieß, sich an die Fährte des großen Lachses zu heften. Insgeheim war sie sicher, daß Hawk der Lockung des kraftvollen, wunderschönen Fisches erliegen würde.
Und vielleicht, nur vielleicht auch ihr.
Angel holte rasch die drei Tüten mit Lebensmitteln aus dem Kofferraum und eilte den Weg zum Haus entlang. Mit den Tüten auf dem Arm lehnte sie sich an die Eingangstür und tastete nach dem Türknauf.
Plötzlich ging die Tür auf, und Angel verlor das Gleichgewicht, wurde jedoch prompt von zwei starken Händen gepackt und festgehalten.
Angel wußte, daß es Hawk war, noch bevor sie aufblickte. Wenn schon nicht die Stärke seiner Arme, so war zumindest sein sauberer, männlicher Duft unverkennbar.
Ob er auch nur halb so gut schmeckt, wie er riecht ?
Die Intensität ihres Verlangens erschreckte sie. Seit Grants Tod hatte sie nie mehr den Wunsch verspürt, einen Mann zu
berühren oder von ihm berührt zu werden. Nicht so wie jetzt, nicht mit solchem Hunger, mit solcher Sehnsucht.
Hawk hatte Angels Ängste und ihre Abwehr so mühelos überwunden wie die Sonne den Horizont.
Doch entweder bemerkte er nichts, oder es schien ihn nicht zu bekümmern.
»Ich - danke«, stotterte Angel, deren Gedanken heftig durcheinanderwirbelten.
»In einem Gips nutzen Sie mir nicht viel«, erwiderte er und ließ sie los.
Hawks Worte waren zwar gleichgültig, ja, fast schroff, aber seine Hände glitten langsam an ihren Armen entlang bis hinab zu ihren kurzgeschnittenen Fingernägeln, bevor er sie freigab.
Angel schnappte erregt nach Luft. Sie wußte nicht, was sie von ihm halten sollte - nach außen hin so gleichgültig, doch im Innern, das spürte sie irgendwie, brannte derselbe Hunger wie in ihr, dieselbe Sehnsucht nach Geborgenheit und Schönheit, wie sie nur Mann und Frau einander geben konnten. Mit Grant zusammen hatte sie ein paar köstliche Einblicke in diese Welt erhalten, süße Momente der Leidenschaft, bevor er sich zurückgezogen und sie nicht mehr angefaßt hatte. Er hatte warten wollen, bis sie verheiratet waren.
Aber Grant war gestorben, bevor sie heiraten konnten.
Angel riß ihre Gedanken mühsam in die Gegenwart zurück, als Hawk ihr die Tüten abnahm. Sie folgte ihm in die Küche und konnte dabei nicht anders, als die ruhige, kraftvoll-anmutige Art zu bewundern, mit der er sich bewegte.
»Wo ist Derry?« fragte sie, während Hawk begann, die Lebensmittel auszupacken.
»Der lernt.«
»Organische Chemie?«
Er zuckte mit den Schultern. »Alles, was ich sehen konnte, war ’ne Formel, so lang wie mein Arm.«
»Organische Chemie«, bestätigte Angel.
Sie räumte die Sachen ebenso rasch weg, wie er sie auspackte.
»Das ist das Fach, in dem die Spreu vom Weizen getrennt wird«, sagte sie.
»Derry ist intelligent und diszipliniert. Wenn er wirklich Arzt werden will, wird er’s auch werden.«
Nur wenn du Eagle Head kaufst.
Aber diese Bemerkung behielt sie für sich.
Sie fragte sich, wie spät es wohl sein mochte und ob sie die Abendflut am Indian Head möglicherweise auch noch verpassen würden. Sie versuchte, einen Blick auf die Küchenuhr zu werfen, doch selbst, wenn sie auf Zehenspitzen stand, blockierten ihr Hawks breite Schultern die Sicht.
Spontan packte Angel Hawks Handgelenk. Sie beugte sich um seinen Arm herum und versuchte, auf das Zifferblatt zu spähen.
»Wenn wir uns nicht beeilen, werden wir die Abendflut auch noch verpassen«, sagte sie.
Hawk sagte nichts.
Als Angel aufblickte, um zu sehen, ob Hawk sie verstanden hatte, fand sie seine klaren, dunklen Augen mit seltsamer Intensität auf sich gerichtet.
Auf einmal spürte sie
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