Flammender Himmel
der hauchzarte Stoff leckte über Hawks Beine. Seine scharfen Ohren nahmen das leise Bimmeln von Silberglöckchen auf.
Gier packte ihn; Hunger nach ihr überwältigte ihn und noch etwas, etwas, das drohte, auch seine letzten Überzeugungen ins Wanken zu bringen. Also tat er, was er immer tat, wenn er sich in die Enge getrieben fühlte.
Hawk griff an.
»Was hat Derry gegen dich in der Hand? Du würdest mich doch lieber umbringen, als noch ein Wort mit mir zu wechseln, und trotzdem bist du bereit, dich vier Wochen lang auf einem Boot mit mir einzusperren, bloß weil Derry dich darum bittet. Verdammt, er hat noch nicht mal bitten müssen, stimmt’s?«
»Nein. Ich hoffe, daß Derry mich nie um etwas bitten muß, das ich ihm geben kann. Und er hat auch nichts gegen mich in der Hand«, sagte Angel mit ausdrucksloser Stimme.
»Was ist es dann? Geld?«
Angels Mundwinkel verzog sich verächtlich.
»Nein«, sagte sie leise.
»Also was?«
»Etwas, das du ohnehin nicht verstehst.«
Hawk packte ihren Arm. Der weiche Stoff und ihr zartes Fleisch machten ihn nur noch zorniger.
»Was ist es, verflucht noch mal!« fauchte er.
»Liebe.«
Schweigen.
»Liebe«, wiederholte Hawk.
Aus seinem Mund klang das Wort wie ein Fluch. Seine Stimme zitterte vor Abscheu.
»Für Frauen ist das das Wort für Sex«, sagte er entschieden, »und Sex hat Derry nun ganz bestimmt nicht mit dir. Worin besteht also die Lüge, Angel Baby - Liebe oder daß du keinen Sex mit Derry haben willst?«
Angel starrte ihn nur an.
»Was hat Derry gegen dich in der Hand?« herrschte er Angel an. »Rede, verdammt noch mal! Erzähl mir alle deine Lügen!«
Eine Sekunde lang blickte sie Hawk an, als ob sie ihn zum ersten Mal sähe.
»Hast du jemals jemanden geliebt?« fragte Angel leise. »Deine Mutter? Deinen Vater? Bruder oder Schwester? Ein Kind? Irgend jemanden?«
»Willst du damit sagen, daß Derry dein Bruder ist?«
»Fast«, sagte Angel und blickte furchtlos in Hawks eiskalte Augen.
»Was heißt fast?«
»Fast heißt vierundzwanzig Stunden.«
Er zögerte. Sie klang so überzeugt, daß er das Gefühl hatte, erfahren zu müssen, was sie mit ihrer Antwort meinte.
»Ich verstehe nicht«, sagte er schließlich und lockerte seinen Griff um ihren Oberarm ein wenig.
»Ich weiß. Es gibt eine Menge über Menschen - und über mich -, was du nicht verstehst.«
»Treib’s nicht zu weit, Angel«, sagte Hawk warnend. Zorn verhärtete seine ohnehin finsteren Züge noch mehr, »oder ich werde Derry meine Fragen stellen und ihm gleich noch ein paar Dinge erzählen, die er ganz bestimmt nicht hören möchte.«
Angel schloß die Augen. Sie wußte, daß Hawk Derrys Traum mit einem Fingerschnippen zerstören konnte. So wie ihren. Das durfte sie nicht zulassen.
»Derry war nur vierundzwanzig Stunden davon entfernt, mein Schwager zu werden«, sagte sie. Ihre Stimme klang vollkommen ausdruckslos.
Hawks Augen verengten sich.
»Grant«, sagte er. »Das war doch sein Name, oder? Grant?«
»Ja.«
»Was ist passiert?«
»Er starb.«
»Wann?«
Keine Frage. Eine selbstverständliche Forderung. Eine unvermeidliche Forderung. Angel hatte gewußt, daß es dazu kommen würde. Sie hatte sich auf jedem einzelnen Schritt den steilen Pfad zum Strand hinunter dagegen gewappnet.
Wenn ich’s Hawk sage, empfindet er ja vielleicht genug
menschliches Mitgefühl, um darauf zu verzichten, mir das Leben in den nächsten vier Wochen zur Hölle zu machen.
Ein Waffenstillstand vielleicht.
Dieser Gedanke gab Angel genug Kraft, um tief Atem zu schöpfen und sich ihre Farbenkaskade in Erinnerung zu rufen, leuchtende Farben, die langsam zu einer einzigen verschmolzen, einer blutroten Rose, die ihre Blütenblätter der Morgendämmerung öffnet.
»Grant -« Ihre Stimme erstarb.
Sie sprach Grants Namen nur sehr selten laut aus. Es erstaunte sie, wie weh es tat, ihn aus ihrem eigenen Mund zu hören. Als sie erneut sprach, war ihre Stimme vollkommen flach und ausdruckslos.
»Grant ist vor vier Jahren gestorben, gestern vor vier Jahren. Es war die Nacht vor unserer Hochzeit. Seine Mutter ist damals auch umgekommen. Ebenso wie mein Vater und meine Mutter.«
Hawk war wie erstarrt. Er hegte keinen Zweifel, daß sie die Wahrheit sagte.
Es wäre ihm lieber gewesen, wenn sie gelogen hätte. Lügen konnte man ignorieren, verwerfen, nicht beachten. Die Wahrheit aber nicht. Sie tat zu weh.
Wie sie Angel weh tat.
Er spürte ihren Kummer, ihre Wut, die Hilflosigkeit und den Schmerz über
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