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Flammendes Eis

Flammendes Eis

Titel: Flammendes Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler , Paul Kemprecos
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Anfall von Massenhysterie von den Stühlen auf.
    Mit verklärtem Blick drängten die Männer zum Podium und reckten ihre Arme empor. Sie wollten ein Teil von ihm sein. Ein Sprechchor wurde laut: »Razow… Razow… Razow…« Er schaltete den Bildschirm ab.
    »Du warst ein guter Schüler, Mikhail«, sagte Boris.
    »Nein, Boris.
Du
warst mir ein guter Lehrer.«
    »Ich habe dir lediglich gezeigt, wie man an die Leidenschaft des Volks appelliert.«
    »Das ist nichts im Vergleich zu dem, was noch folgen wird.
    Aber von unserem Schwarzmeerprojekt hängt sehr viel ab. Als du vorhin hereingekommen bist, habe ich gerade mit dem Bergungsschiff gesprochen. Es gibt viele Schwierigkeiten, aber das Ziel ist fast erreicht. Ich habe den Leuten mitgeteilt, dass vom Erfolg der Mission ihr Leben abhängt. Einen Fehlschlag werde ich nicht dulden.«
    »Soll ich einen Blick in die Zukunft werfen?«
    »Ja, verrat mir, was du siehst.«
    Boris neigte den Kopf und hob die Finger an die Schläfen.
    Seine Augen starrten ins Leere. Als er das Wort ergriff, schien seine Stimme aus einer Höhle zu erklingen. »Ich prophezeie dir, dass du eines Tages als neuer Zar die Herrschaft über Mütterchen Russland antreten wirst. All unsere Feinde werden bezwungen sein, und die Vereinigten Staaten sollen als Erste das Schwert der Rechtschaffenheit zu spüren bekommen.«
    »Was siehst du sonst noch?«
    Er runzelte die Stirn, als würde er Schmerz empfinden, und seine Stimme wirkte hohl. »Kälte und Dunkelheit. Ein Ort des Todes unter Wasser.« Er packte Razows Arm, und seine Finger gruben sich wie Dolche ins Fleisch. »Ein Licht.« Die vollen Lippen verzogen sich zu einem verzückten Lächeln. »Der Erfolg ist greifbar nahe.« Das Leben kehrte in seinen starren Blick zurück. »Die Geister der Toten werden unserem Vorhaben schon bald ihren Segen geben. Sie bitten dich, in ihrem Namen Vergeltung zu üben.«
    Razow war ein erfolgreicher Verbrecher und ein Stadtmensch.
    Außerhalb seiner gewohnten Umgebung fühlte er sich nahezu hilflos. Er dachte an sein erstes Treffen mit Boris zurück.
    Desorientiert und halb verhungert war er durch die öde Landschaft geirrt und dabei auf eine Schar Bauern gestoßen. Es handelte sich um mehrere Dutzend Menschen, gebrechlich und krank, manche unfähig, sich allein auf den Beinen zu halten, so dass sie von den anderen getragen werden mussten. Als er fragte, wohin sie unterwegs seien, antworteten sie ihm, sie wollten das Kloster aufsuchen und sich dort von dem »Verrückten« heilen lassen. Da er nichts Besseres zu tun hatte, schloss er sich ihnen an. Er sah, wie Lahme ihre Krücken wegwarfen und davongingen und Blinde behaupteten, sie könnten wieder sehen. Als er vor Boris trat, sah der Mönch ihn an, als würden sie sich schon ewig kennen, und sagte: »Ich habe dich erwartet, mein Sohn.«
    Unter dem Blick dieser bemerkenswerten Augen erzählte Razow von seinen Erlebnissen. Von seinem Schock über die letzten Worte des Vaters. Von seinem Rückzug aus der Zivilisation und den Wanderungen durch die Wildnis rund um das Schwarze Meer. Boris forderte ihn auf, noch zu bleiben, nachdem die anderen gegangen waren, und sie redeten die ganze Nacht hindurch. Als Razow sich nach den anderen Mönchen erkundigte, erwiderte Boris nur, sie hätten sich als unwürdig erwiesen. Razow ahnte die schreckliche Wahrheit, aber es war ihm egal. Bei seiner Rückkehr in zivilisierte Gefilde befand sich dieser bizarre bärtige Mönch an seiner Seite, und so war es seitdem geblieben.
    Zwischenzeitlich hatten andere Gangster sich seines Territoriums bemächtigt. Er folgte Boris’ Rat und ließ verkünden, er ziehe sich aus dem Geschäft zurück. Dann sorgte er dafür, dass seine schmutzige Vergangenheit ihn nicht einholen würde. Zuerst änderte er seinen Namen. Nach mehreren Morden, Brandstiftungen und Bombenanschlägen waren die meisten Spuren seiner früheren Verbrecheridentität ausgelöscht. Mit Hilfe der Millionen auf seinen Schweizer Bankkonten und der gewaltsamen Methoden, die er jahrelang eingeübt hatte, erwarb er Bergwerksanteile aus ehemaligem kommunistischen Staatsbesitz. Wenig später ließ er auch auf dem Meeresgrund nach Bodenschätzen suchen.
    Beobachtern fiel die geheimnisvolle und tiefe Bindung zwischen den beiden Männern auf. Razow zog Boris zu allen wichtigen Entscheidungen hinzu und entlohnte ihn fürstlich. Der Mönch war eine zwiespältige Gestalt. Seine Kabine enthielt als einziges Mobiliar eine Koje, er versank häufig in

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