Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
Woche … Ich lebe davon, mit den Toten zu sprechen«, sagt sie, und in ihrem rechten Auge beginnt ein Muskel zu zucken.
»In gewisser Weise tue ich das auch«, erwidert Joona ruhig.
Er setzt sich ihr gegenüber an den Tisch.
»Der Kaffee ist leider alle«, sagt sie leise.
»Das macht nichts«, beteuert er. »Bei Ihrem Anruf haben Sie einen Stein erwähnt …«
»Ich wusste nicht, was ich tun sollte, aber Miranda zeigt mir dauernd einen blutigen Stein …«
Sie deutet die Größe des Steins mit den Händen an.
»Sie haben also eine Séance abgehalten«, sagt Joona sanft, »und dann ist ein Mädchen zu ihnen gekommen und hat erzählt …«
»Nein, so ist es nicht gewesen«, unterbricht sie ihn. »Das war nach der Séance, als ich nach Hause kam.«
»Und was hat dieses Mädchen gesagt?«
Flora sieht ihm direkt in die Augen, und ihr Blick trübt sich, als sie sich in der Erinnerung verliert.
»Sie zeigt mir den Stein und sagt, dass ich die Augen schließen soll.«
Joona betrachtet sie mit grauen, unergründlichen Augen.
»Sollte Miranda wieder auftauchen, möchte ich, dass Sie sie fragen, wo sich der Mörder versteckt«, sagt er schließlich.
99
JOONA ZIEHT DIE KLEINE PLASTIKTÜTE mit Vickys Schlüsselanhänger aus der Tasche, öffnet die Tüte und lässt den Inhalt vor Flora auf den Tisch fallen.
»Der gehört unserer Mordverdächtigen«, sagt er.
Flora betrachtet den Gegenstand.
»Dennis?«, fragt sie.
»Wir wissen nicht, wer Dennis ist, aber ich frage mich … vielleicht können Sie ja etwas herausfinden«, sagt er.
»Vielleicht, aber ich … wissen Sie, das ist meine Arbeit.«
Sie lächelt verlegen, verbirgt den Mund hinter der Hand und murmelt etwas Entschuldigendes, was er nicht versteht.
»Selbstverständlich«, sagt Joona. »Was kostet das?«
Sie nennt ihm mit gesenktem Blick den Preis pro halbe Stunde für eine Einzelsitzung. Joona zieht sein Portemonnaie heraus und bezahlt für eine Stunde. Flora bedankt sich, holt ihre Tasche und schaltet die Deckenlampe aus. Draußen ist es immer noch hell, aber in der Küche wird es dunkel. Sie holt ein Teelicht und ein schwarzes Samttuch mit Goldrand. Dann zündet sie das Teelicht an, stellt es vor Joona auf den Tisch und legt anschließend das Tuch über den Schlüsselanhänger. Sie schließt die Augen und streicht vorsichtig mit der Hand über den Stoff.
Joona beobachtet sie vorbehaltlos.
Flora führt ihre linke Hand unter den Stoff, sitzt still, beginnt zu zittern und holt tief Luft.
»Dennis, Dennis«, murmelt sie.
Sie befühlt das Metallplättchen unter dem schwarzen Stoff. Durch die Wände hört man Stimmen aus dem Fernsehapparat des Nachbarn, und plötzlich schallt von der Straße das Hupen einer Autoalarmanlage herauf.
»Ich sehe seltsame Bilder … noch nichts Deutliches.«
»Machen Sie weiter«, sagt Joona und sieht sie intensiv an.
Floras blonde, krause Haare liegen auf den Wangen. Sie errötet nervös gefleckt, und die gewölbten Lider zucken unter den Bewegungen der Augen.
»In diesem Gegenstand steckt eine furchtbare Kraft. Einsamkeit und Zorn. Ich verbrenne mich fast«, flüstert sie und zieht den Schlüsselanhänger an sich, hält ihn in ihrer flachen Hand und starrt ihn an. »Miranda sagt, dass … er an einem Faden des Todes hängt … Denn sie waren beide in Dennis verliebt … oh ja, ich spüre die Eifersucht im Metall brennen …«
Flora verstummt, hält den Schlüsselanhänger eine Weile in der Hand, murmelt, dass der Kontakt abgebrochen ist, schüttelt den Kopf und gibt ihn Joona zurück.
Joona steht auf. Er hat es zu eilig gehabt. Es ist Zeitverschwendung gewesen, zu ihr zu fahren. Er ist davon ausgegangen, dass sie tatsächlich etwas weiß, und zwar aus Gründen, über die sie aus Angst nichts sagen will. Aber Flora Hansen denkt sich ganz offensichtlich nur etwas aus, was man hören will. Dennis gehört zu einer Zeit, die weit vor dem Haus Birgitta liegt, denn den Schlüsselanhänger bekam Vicky bereits vor Jahren von ihrer Mutter.
»Ich finde es bedauerlich, dass Sie mir hier nur Lügen auftischen«, sagt Joona und nimmt den Schlüsselanhänger vom Tisch.
»Darf ich das Geld behalten?«, fragt sie mit schwacher Stimme. »Ich komme nicht über die Runden, ich sammele Pfanddosen in der U-Bahn und in allen Papierkörben …«
Joona steckt den Schlüsselanhänger in die Tasche und geht den Flur hinab.
»Ich glaube wirklich, dass ich einen Geist gesehen habe«, sagt sie. »Ich habe ihn
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