Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
Vom Netzwerk:
gezeichnet …«
    Sie zeigt auf eine kindliche Zeichnung von einem Mädchen und einem Herzen und hält sie ihm vors Gesicht. Sie will, dass er sie sich ansieht, aber Joona schiebt ihre Hand fort. Das Blatt segelt zu Boden, und er macht einfach einen Schritt darüber hinweg, öffnet die Tür und verlässt die Wohnung.

100
    ALS JOONA AUS DEM AUTO STEIGT und das Treppenhaus in der Lützengatan am Karlaplan betritt, ist er immer noch gereizt.
    Vicky Bennet und Dante Abrahamsson leben, sie verstecken sich irgendwo, und er hat fast eine Stunde damit vergeudet, mit einer geistesgestörten Frau zu sprechen, die einen gegen Bezahlung anlügt.
    Disa sitzt mit ihrem dünnen Notebook im Schoß auf dem Bett. Sie trägt einen weißen Morgenmantel und hat ihre braunen Haare mit einem breiten, weißen Haarband zurückgebunden.
    Er duscht unter sehr heißem Wasser. Dann legt er sich neben sie. Als er sein Gesicht an sie schmiegt, riecht er den Duft ihres Parfüms.
    »Bist du wieder in Sundsvall gewesen?«, fragt sie geistesabwesend, als seine Hand über ihren Arm bis zu dem schmalen Handgelenk hinabstreicht.
    »Heute nicht«, antwortet Joona leise und denkt an Floras blasses, hageres Gesicht.
    »Ich bin letztes Jahr mal da oben gewesen«, erzählt Disa. »Wir haben das Frauenhaus in Högom ausgegraben.«
    »Das Frauenhaus?«, fragt er.
    »In der Gemeinde Selånger.«
    Ihr Blick löst sich vom Computerbildschirm, und sie lächelt ihn an.
    »Fahr hin, wenn du zwischen den Morden ein bisschen Zeit erübrigen kannst«, sagt sie.
    Joona lächelt und berührt ihre Hüfte, folgt den Oberschenkelmuskeln bis zum Knie. Er will nicht, dass Disa verstummt und fragt deshalb:
    »Warum wird der Ort Frauenhaus genannt?«
    »Es ist ein Grabhügel, aber er wurde auf den Grundmauern eines abgebrannten Hauses errichtet. Man weiß nicht, was dort passiert ist.«
    »Waren Menschen in dem Haus?«
    »Zwei Frauen«, antwortet sie und stellt den Computer weg. »Ich habe persönlich Erde von ihren Kämmen und Schmuckstücken gepinselt.«
    Joona legt den Kopf in ihren Schoß und fragt:
    »Wo ist das Feuer ausgebrochen?«
    »Ich weiß es nicht, aber man hat mindestens eine Pfeilspitze in der Wand gefunden.«
    »Dann kam der Täter also von draußen?«, murmelt er.
    »Vielleicht stand das ganze Dorf davor und ließ das Haus niederbrennen«, sagt sie und fährt mit den Fingern durch seine dichten, feuchten Haare.
    »Erzähl mir mehr von dem Grab«, bittet Joona sie und schließt die Augen.
    »Man weiß nicht sehr viel darüber«, erklärt sie und wickelt eine Locke um ihren Finger. »Aber die Hausbewohner saßen drinnen und webten, überall lagen ihre Webgewichte verstreut. Schon seltsam, dass es immer die kleinen Dinge sind wie Kämme oder Nadeln, die Jahrtausende überdauern.«
    Joonas Gedanken wandern über Summas Brautkrone aus geflochtener Birkenwurzel zu dem alten jüdischen Friedhof am Kronobergspark, auf dem sein Kollege Samuel Mendel mutterseelenallein in seinem Familiengrab ruht.

101
    JOONA WIRD VON EINEM SANFTEN KUSS auf den Mund geweckt. Disa ist schon angezogen. Sie hat ihm eine Tasse Kaffee auf den Nachttisch gestellt.
    »Ich bin eingeschlafen«, sagt er.
    »Und du hast hundert Jahre geschlafen«, erwidert sie lächelnd und geht in den Flur.
    Joona hört, wie sie die Tür hinter sich schließt. Er zieht sich die Hose an, steht neben dem Bett und denkt an Flora Hansen. Er hatte sich zu einem Besuch bei ihr verleiten lassen, weil sie bei dem Stein richtig geraten hatte. In der Psychologie wird dieses Phänomen Bestätigungsfehler genannt. Unbewusst tendiert jeder Mensch dazu, Ergebnissen, die eine Theorie bestätigen, weitaus mehr Beachtung zu schenken, als Resultaten, die ihr widersprechen. Flora hat mehrere Male bei der Polizei angerufen und von unterschiedlichen Mordwaffen berichtet, aber erst als sie den Stein erwähnte, hat er ihr zugehört.
    Es gab keine anderen Spuren als die, die zu Flora führte.
    Joona geht zu den großen Fenstern und zieht den dünnen weißen Vorhang zur Seite. Das graue Morgenlicht hat noch etwas von der Düsternis der Nacht. Der Springbrunnen auf dem Karlaplan pulsiert und schäumt mit schwermütiger Monotonie. Tauben bewegen sich langsam vor dem geschlossenen Eingang des Einkaufszentrums.
    Einzelne Menschen sind auf dem Weg zur Arbeit.
    Etwas in Flora Hansens Blick und Stimme war sehr verzweifelt, als sie sagte, dass sie in der U-Bahn Flaschen und Dosen sammelt.
    Joona schließt für einen Moment die Augen, dreht sich

Weitere Kostenlose Bücher