Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
sicher gefühlt haben.
»Sehen Sie den Wagen?«, fragt er.
»Nein, das hier ist Ellinor … und da drüben steht Silvia … nicht einmal die Beleuchtung funktioniert richtig.«
Joona hört es unter den Füßen des Mannes rasseln, während er unter dem Industriegebiet mit seinen Flachbauten entlang durch den Tunnel geht.
»Hier unten bin ich schon ewig nicht mehr gewesen«, erzählt der Mann keuchend. »Ich will mal die Taschenlampe einschalten … am hintersten Ende natürlich … Denniz, rostig und schmutzig wie ein …«
»Sind Sie sicher?«
»Ich kann hingehen und ein Foto machen, wenn Sie … aber was zum Teufel? Da sind Leute, da sind Leute im …«
»Still«, sagt Joona schnell.
»Da ist jemand in dem Wagen«, flüstert der Mann.
»Gehen Sie nicht näher heran«, sagt Joona.
»Die haben eine verdammte Gasflasche in die Tür gestellt.«
Es raschelt laut, und Joona hört, dass sich der Mann mit großen Schritten bewegt und keuchend atmet.
»Da waren … ich habe in dem Wagen Leute gesehen«, flüstert der Bahnarbeiter erneut ins Telefon.
Joona glaubt, dass es sich höchstwahrscheinlich nicht um Vicky handelt, da sie den Schlüssel und das Metallplättchen nicht mehr hat.
Plötzlich hört Joona zwar fern, aber deutlich hörbar helle Schreie im Telefon.
»Da drinnen schreit eine Frau«, flüstert der Mechaniker. »Die flippt da anscheinend total aus.«
»Kommen Sie einfach wieder heraus«, sagt Joona und hört die Schritte und hechelnden Atemzüge des Mannes. Wieder hört er die Schreie, nun aber schwächer.
»Was haben Sie gesehen?«, erkundigt sich Joona.
»Die Tür wird von der großen Gasflasche eines Schweißgeräts blockiert.«
»Haben Sie Menschen gesehen?«
»Die Fenster sind voller Graffiti, aber dahinter waren ein größerer und ein kleinerer Mensch, vielleicht auch noch mehr, keine Ahnung.«
»Sind Sie sicher?«, fragt Joona Linna.
»Eigentlich sind diese Tunnel abgeschlossen, aber wenn man es unbedingt darauf anlegt … gibt es natürlich immer Möglichkeiten, sich Zugang zu ihnen zu verschaffen«, keucht der Mann.
»Hören Sie mir bitte gut zu … Ich bin Kriminalkommissar und möchte, dass Sie draußen auf die Polizei warten.«
104
EIN SCHWARZER LIEFERWAGEN fährt mit hoher Geschwindigkeit durch das Tor zu den Werkstätten der Verkehrsbetriebe in Johanneshov. Trockener Schotter wird aufgewirbelt, und eine Staubwolke zieht zum Zaun. Das Auto schwenkt herum und hält vor einem grünen Metalltor.
Nach seinem Telefonat mit Dick hatte Joona den Polizeipräsidenten angerufen und ihm mitgeteilt, dass eine Geiselnahme nicht auszuschließen sei.
Die Nationale Eingreiftruppe ist eine Einheit mit Spezialausbildung innerhalb der Landeskriminalpolizei. Ihre Hauptaufgabe besteht in der Verhinderung und Bekämpfung von terroristischen Anschlägen, aber sie kann auch bei besonders schwierigen Einsätzen angefordert werden.
Die fünf Polizisten steigen mit einer Mischung aus Nervosität und Konzentration aus dem Wagen. Sie sind mit Stiefeln, dunkelblauen Overalls, keramischen Schutzwesten, Helmen, Schutzbrillen und Handschuhen ausgerüstet.
Joona geht der Gruppe entgegen und bemerkt, dass sie die Erlaubnis erhalten haben, schwere Waffen einzusetzen – drei von ihnen tragen jadegrüne Sturmgewehre mit Rotpunktvisieren von Heckler & Koch.
Es sind keine Spezialwaffen, aber sie sind leicht und können ein Magazin in weniger als drei Sekunden leerfeuern.
Die beiden anderen Männer der Gruppe tragen jeder ein Scharfschützengewehr.
Joona gibt dem Einsatzleiter, dem begleitenden Arzt und den anderen kurz die Hand, ehe er erklärt, dass die Situation sie seiner Ansicht nach zu schnellem Handeln zwingt:
»Ich möchte, dass wir sofort reingehen, so schnell es geht, aber da ich nicht weiß, welche Informationen Sie bekommen haben, muss ich betonen, dass wir keine positive Identifizierung von Vicky Bennet und Dante Abrahamsson haben.«
Bevor die Nationale Eingreiftruppe vor Ort eintraf, hatte Joona Dick Jansson befragt und ihn auf einer detaillierten Karte von dem Gelände die genaue Position der verschiedenen Wagen einzeichnen lassen.
Ein junger Mann mit einem Scharfschützengewehr 90 in einer Tasche zu seinen Füßen hebt die Hand.
»Gehen wir davon aus, dass sie bewaffnet ist?«, fragt der Scharfschütze.
»Wahrscheinlich nicht mit Schusswaffen«, antwortet Joona.
»Dann werden wir also wahrscheinlich auf zwei unbewaffnete Kinder stoßen«, sagt der junge Mann und
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