Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
Unterarm gepackt, zieht mit der anderen sein Handy heraus und ruft die Einsatzzentrale an.
»Schicken Sie bitte einen Wagen in die Wollmar Yxkullsgatan 9, um eine Mordverdächtige ins Präsidium zu bringen«, sagt er schnell. »Außerdem benötige ich Hilfe bei der Fahndung nach einer Person, die des Menschenraubs verdächtigt wird …«
Sie treten durch die Haustür ins helle Sonnenlicht und gehen die Treppe hinunter auf den Bürgersteig. Joona deutet in die Richtung, in der sein Auto steht, und erklärt dem Diensthabenden:
»Der Verdächtige heißt Tobias Lundhagen und … einen Moment«, sagt Joona und wendet sich an Vicky. »Was hat er für ein Auto?«
»Ein großes, schwarzes.« Sie zeigt die Höhe mit der Hand an. »Wenn ich es sehe, erkenne ich es wieder.«
»Was für eine Marke?«
»Keine Ahnung.«
»Wie sieht es aus? Ist es ein SUV, ein Minibus, ein Lieferwagen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Weißt du nicht, ob es …«
»Verdammt – Entschuldigung!«, schreit Vicky.
Joona bricht das Telefonat ab, packt sie an den Schultern und sieht ihr in die Augen.
»An wen verkauft er Dante?«, fragt er.
»Ich weiß es nicht, oh Gott, ich weiß es nicht …«
»Aber woher weißt du dann, dass er ihn verkaufen will? Hat er das gesagt? Hast du ihn das sagen hören?«, fragt Joona und begegnet ihrem verängstigten Blick.
»Ich kenne ihn … ich …«
»Was ist?«
Ihre Stimme ist dünn und bricht vor Anspannung, als sie antwortet:
»Das Schlachthofgelände, wir fahren zum Schlachthofgelände.«
»Steig ein«, sagt Joona kurz.
Sie laufen das letzte Stück. Joona ruft ihr zu, sich zu beeilen, sie setzt sich, ihre Hände sind auf dem Rücken gefesselt, er läuft herum, lässt den Wagen an und gibt Gas. Lose Steinchen rasseln unter den Reifen. Als Joona rasant in die Timmermansgatan einbiegt, fällt Vicky zur Seite.
Gelenkig zieht sie die gefesselten Hände unter Po und Beinen hindurch, so dass sie sich vor ihrem Körper befinden.
»Anschnallen«, sagt Joona.
Sie beschleunigen auf neunzig Stundenkilometer, bremsen, schleudern ein wenig auf kreischenden Reifen und biegen in die Hornsgatan.
Eine Frau bleibt mitten auf einem Zebrastreifen stehen und schaut sich etwas in ihrem Handy an.
»Idiot«, schreit Vicky.
Joona fährt auf der falschen Seite der Verkehrsinsel an der Frau vorbei, sieht einen Bus auf sich zukommen, schafft es gerade noch auf die richtige Spur, fährt am Mariatorget vorbei und gibt nochmals Gas. An der Kirche wühlt ein Dosensammler in einem Papierkorb und tritt dann mit seinem ausgebeulten Sack auf den Schultern geradewegs auf die Straße.
Vicky ringt erschrocken nach Luft und kauert sich zusammen. Joona muss abrupt auf den Fahrradweg ausweichen. Ein entgegenkommendes Auto hupt anhaltend. Joona erhöht hinter der Mauer nochmals die Geschwindigkeit, ignoriert die Ampeln, biegt rechts ab und fährt mit Vollgas in den Söder-Tunnel.
Das Licht der an den Wänden vorbeifliegenden Lampen blinkt monoton im Wageninneren. Vickys Gesicht ist starr, fast versteinert. Ihre Lippen sind aufgesprungen, und auf ihrer Haut liegt eine schmutzige Schicht aus eingetrocknetem Lehm.
»Warum das Schlachthofgelände?«, fragt Joona.
»Da hat Tobias mich verkauft«, antwortet sie.
118
DAS SCHLACHTHOFGELÄNDE südlich von Stockholm entstand im Zuge des Gesetzes zur Fleischkontrolle und der neuen Schlachthofverordnung aus dem Jahre 1897 und ist bis heute das landesweit größte Gelände zur Zerlegung und Verarbeitung von Fleisch.
Im Söder-Tunnel ist wenig Verkehr, und Joona fährt sehr schnell. Rund um die großen Ventilatoren schwebt trockenes Zeitungspapier in der Luft.
Neben ihm sitzt Vicky Bennet, und er sieht aus den Augenwinkeln, dass sie an ihren Nägeln kaut.
Das Funkgerät im Wagen knistert seltsam, als Joona Verstärkung und Krankenwagen anfordert. Er erläutert, dass er die Unterstützung wahrscheinlich auf dem Schlachthofgelände in Johanneshov brauchen wird, jedoch noch keine genaue Adresse angeben kann.
»Ich melde mich wieder«, sagt er, als der Wagen gerade über die Reste eines alten Reifens donnert.
Sie fahren durch den langen, geschwungenen Tunnel, auf den Betonwänden flimmern unter den orangen Lampen Streifen vorbei.
»Fahren Sie schneller«, sagt sie und drückt die Hände gegen die Klappe des Handschuhfachs, als wolle sie sich im Falle eines Unfalls schützen.
Auf ihrem blassen, schmutzigen Gesicht blinkt stroboskopisch das Licht.
»Ich habe ihm gesagt, dass ich das
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